Tsakalotos ersetzt Varoufakis Alexis Tsipras will die Friedenspfeife rauchen

In Griechenland ersetzt mit Euklid Tsakalotos ein ruhiger Oxford-Ökonom den Provokateur Yanis Varoufakis im Amt des Finanzministers. Damit signalisiert die linksradikale Regierung Verhandlungsbereitschaft.

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Der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos und sein Vorgänger Yanis Varoufakis. Quelle: imago images

Fürchterliches Chaos hatten die Experten aus dem Rest Europas den Griechen prophezeit, diesen Montag nun auch wirklich! Am Vorabend hatten die Einwohner des kleingesparten Pleite-Staats per Referendum gegen die von Brüssel forcierte Spar- und Reformpolitik gestimmt. Doch es passiert – mal wieder – nichts.

Athen geht gelassen dem Alltag nach, vor den Geldautomaten bilden sich wie jeden Tag Schlangen, aber unterm Strich haben sich die Griechen schlicht an die Krise gewöhnt.

Im Gegenteil, der Montag hält sogar eine positive Überraschung bereit: Finanzminister Yanis Varoufakis nimmt mit sofortiger Wirkung seinen Hut, was insbesondere den deutschen Kämmerer Wolfgang Schäuble (CDU) versöhnlich stimmen dürfte. Der schien schier verzweifelt zu sein an der Arroganz des exzentrischen Spieltheoretikers aus Athen, der Spar-Kommissare wie ihn indirekt als „Terroristen“ bezeichnet hatte und den Austeritäts-Fanatikern gern den Stinkefinger zeigt.

An Griechenland hängt mehr als nur der Euro

Natürlich steckt Kalkül dahinter: Premierminister Alexis Tsipras will gegenüber den Gläubigern in Brüssel seine Kompromissbereitschaft unterstreichen. Er ist der festen Überzeugung, dass das per Referendum erzielte „starke Nein“ der Griechen seine Verhandlungsposition verbessern wird. Der 40-Jährige forciert einen neuen Schuldenschnitt; er will den Sparplan zusammenstreichen und hofft auf ein Wachstumsprogramm für sein Land. Dazu braucht er einen Finanzminister, der anders als der selbstherrliche Varoufakis kein Provokateur ist, sondern ein nüchterner Fachmann – und der ist auch schon gefunden: Euklid Tsakalotos soll übernehmen.

Es ist eine Personalentscheidung, die auf den ersten Blick wie ein Friedensangebot wirkt. Der 55-Jährige studierte in Oxford Politik, Philosophie, Ökonomie und promovierte in letzterem Fach, ehe er an Universitäten in Griechenland und Belgien unterrichtete. Bereits seit 2012 sitzt er für Syriza im griechischen Parlament, womit er über weitaus mehr politische Erfahrung verfügen dürfte als Varoufakis und die meisten seiner Abgeordneten-Kollegen zusammen.

Zwar trägt auch dieser Linke selten Schlips und Kragen, doch neigt immerhin er eher zum sachlichen und kühlen Verhandeln mit den Gläubigern. Das konnte er seit April beweisen, als er in der Funktion des Chef-Unterhändlers die Gespräche mit den Geldgebern übernahm.

Griechenlands Verflechtungen mit Russland

Tsakalotos ist so etwas wie das Gegenmodell zum Selbstdarsteller Varoufakis, dies allerdings nicht nur in der Außenwirkung. Während der scheidende Finanzminister innerhalb der Syriza-Bewegung von Beginn an ein Fremdkörper war und sich mit seinem Spieltheorie-Wahn auch intern Feinde machte, gilt Tsakalotos als konzeptioneller Kopf aller wirtschaftspolitischer Strategien.

Die trug er zu Beginn dieses Jahres auch vor Irlands linksradikaler „Sinn Fein“-Bewegung vor, ebenso wird ihm eine gewisse Nähe zur spanischen Bewegung „Podemos“ nachgesagt. Wer den in Rotterdam aufgewachsenen Politiker voreilig zum Moderaten stempeln will, sei nach solchen Terminen also gewarnt.

Kurzum, der neue Finanzminister mag weniger polarisieren als sein Vorgänger, er dürfte einfacher im Umgang sein als der arrogante Oberlehrer mit der Lederjacke.

Den Gläubigern könnte es leichter fallen, von einem Tsakalotos die Friedenspfeife in Tsipras' Namen entgegenzunehmen und am Verhandlungstisch zu rauchen. Doch rasch dürfte sich auch bei ihm zeigen, dass er ideologisch nicht von den großen Linien der Linksradikalen abweicht: Syriza will der deutschen Sparpolitik in Europa ein Ende bereiten – und scheint bereit, die Gleichgesinnten in anderen EU-Krisenländern einzusammeln.

Der ideologische Konflikt von Austeritäts- versus Investitionspolitik sollte alsbald grundsätzlich aufgelöst werden. Sonst droht er die Europäische Union insgesamt zu spalten.

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