TTIP Experten fordern höhere Umweltstandards

Bisher kontrolliert Europa Lebensmittel, Kosmetika, Gentechnik oder Chemikalien im Schnitt schärfer als die USA. Die Wissenschaftler im Auftrag der Bundesregierung wollen hohe Standards sichern und verlangen als letztes Mittel sogar Handelssanktionen.

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Das Freihandelsabkommen mit den USA ist längst zum politischen Sprengstoff geworden. CETA, das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen, könnte TTIP den Weg ebnen. Quelle: Marcel Stahn

Nein, das Chlorhühnchen macht den Wissenschaftlern keine Sorgen. Es kommt im 43 Seiten langen Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen nicht namentlich vor.

Erinnern wir uns: Bei der Auseinandersetzung um Umwelt- und Gesundheitsstandards in einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA schwirrte voriges Jahr das Chlorhuhn durch die Medien – als Wappentier von TTIP, dem Vertrag, den beide Seiten offiziell anstreben. Die Amerikaner tauchen ihr Geflügel nach dem Schlachten in ein Chlorbad. Das soll Keime auf der Hühnerhaut vernichten. Bäh, riefen manche Deutsche.

Der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung berät, hat nun die Auswirkungen eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union (EU) und den USA auf Natur und Menschen systematischer untersucht. Die sieben Sachverständigen fordern in ihrer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme, Umweltschutz auf hohem Niveau festzuschreiben. Egal ob bei Lebensmitteln, Chemie, Gentechnik oder Kosmetika – die USA und die EU regulierten diese Bereiche unterschiedlich streng.

Was Deutsche und Amerikaner über TTIP denken

Meist seien die Vorschriften in Europa schärfer. Produkte, die in den USA aber zum Beispiel nicht Kosmetik, sondern Medizinprodukte seien, bewerteten die Amerikaner strikter. „Negative Umweltauswirkungen können deshalb nur vermieden werden, wenn eine Angleichung auf hohem Niveau gelingt“, so das Gutachten. Eine grundsätzliche Kritik schiebt der Rat hinterher: „Wichtige Bereiche wie den Klimaschutz“ blende der Vertrag in seiner aktuellen Verhandlungsversion ganz aus.

Damit spiegelt die Stellungnahme viel von der Kritik wieder, die in den vergangenen Monaten am geplanten Abkommen laut wurde. TTIP soll den Handel zwischen beiden Wirtschaftsmächten erleichtern und Wohlstand schaffen. Doch Umweltschützer und manche Politiker sehen die Gefahr, dass durch eine Öffnung der Märkte Umweltauflagen oder Sozialstandards aufgeweicht werden.

Hier einzelne Punkte aus dem Gutachten:

Kritik der Umweltschützer an TTIP

Insgesamt urteilt der Sachverständigenrat aus Ingenieuren, Ökonomen, Ökologen und Juristen, gerade bei Umweltfragen habe das angestrebte Freihandelsabkommen in der Bevölkerung „Bedenken und Ängste hervorgerufen, die teilweise überzogen, teilweise aber nicht von der Hand zu weisen“ seien. Allein deshalb sei sinnvoll, bei den Entscheidungen zu TTIP frühzeitig das Europäische Parlament einzubeziehen und immer mit entscheiden zu lassen.

In einem Vertrag solle zudem ausdrücklich verankert werden, bei welchen Themen das Vorsorgeprinzip zum vorsorglichen Schutz von Umwelt und Gesundheit gelten solle. Dieses Prinzip ermögliche, dass beim Freihandel nicht nur Kosten und Nutzen, sondern auch das Gemeinwohl berücksichtigt werde. Schließlich fordern die Sachverständigen sogar Handelssanktionen - falls eine Seite ignoriere, was untereinander als nachhaltig festgelegt worden sei.

Im Klartext: Wenn Billigware andere Produkte verdrängt, die nach Umwelt- und Sozialstandards hergestellt wurden, sind Strafmaßnahmen gegen die andere Seite erlaubt.

Beim Chlorhühnchen, das hier nicht vorkommt, hat sich die Aufregung längst gelegt. So testete etwa das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dieses Geflügel und kam zum Schluss, es sei gesundheitlich völlig ungefährlich. Deutsches Huhn sei dagegen auf keinen Fall gesünder – denn es habe ein massives Keimproblem.



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