Türkei nach dem Militärputsch Ein Punktsieg für Erdogan

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Bedenkliche Folgen für türkische Wirtschaft

Möglich sind sogar Neuwahlen, um die neue Unterstützung in Wahlergebnisse umzumünzen. Das könnte ihm die nötige Mehrheit beschaffen, um die Verfassungsänderung durchzusetzen.

Das erklärt, weshalb in den sozialen Netzwerken bereits die Verschwörungstheorien blühen, wonach der Putsch von Erdogan inszeniert worden sei. Fakt ist: Dafür gibt es im Moment keine Hinweise. Der Umsturzversuch kam für alle Beobachter überraschend.

Klar ist allerdings auch: Wirkliche Gewinner gibt es nicht. Für die Wirtschaft sind die Folgen bedenklich. Die türkische Lira stürzte Freitagnacht innerhalb von zwei Stunden um fast fünf Prozent ab.

Das ist die Gülen-Bewegung

"Die Märkte mögen eventuell die Ruhe nach dem gescheiterten Putsch wertschätzen", sagt Michael Harris von Investmentfond Renaissance Capital. "Nur muss man schon sehr viel Vertrauen in Erdogan haben, um zu glauben, die ökonomischen Faktoren würden sich langfristig verbessern." Nachhaltig helfen würde nur eine nationale Versöhnung zwischen Kurden, Rechten, Kemalisten und Konservativen.

Millionen Arbeitsplätze hängen am Tourismus

Die Tourismusbranche hatte gerade auf etwas Erholung gehofft. Vor zwei Wochen hatte Erdogan die Beziehungen zu Russland und Israel normalisiert. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges im vergangenen November hatte Putin Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Die Buchungen der ehemals vier Millionen russischen Touristen waren um 92 Prozent eingebrochen. Die Folge: leere Hotels und arbeitslose Kellner. An der Tourismus-Industrie hängen indirekt knapp drei Millionen Arbeitsplätze.

Schlüsselstaat Türkei

Die deutschen Buchungen waren um 30 Prozent zurückgegangen. Schuld war vor allem die Angst vor Terroranschlägen. Ein Putsch – selbst, wenn er vereitelt wurde – ist nicht gerade das, was man sich von einem entspannten Urlaub erwartet.

Auch für den Wirtschaftsstandort im Allgemeinen wird sich der Putschversuch negativ auswirken. Er schädigt das ohnehin schon angeschlagene Investitionsklima. Dabei ist die Türkei dringend auf ausländisches Kapital angewiesen. Die Sparquote im Land ist gering, die Abhängigkeit von Importen in Form von Energie und anderen Rohstoffen. Um das chronische Leistungsbilanzdefizit auszugleichen, braucht die Türkei den Zustrom von ausländischen Kapital. Das Wirtschaftswachstum lag zuletzt bei 4,4 Prozent. Zu wenig für ein Schwellenland mit einer jungen Bevölkerung.

Stabilität und Sicherheit sind Grundvoraussetzungen für Investitionen. Was das Land gerade am meisten braucht, ist Ruhe. Gewonnen hat deswegen am Samstagmorgen niemand.

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