Türkei nach dem Militärputsch Ein Punktsieg für Erdogan

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geht gestärkt aus dem Putschversuch hervor. Der Wirtschaft aber stehen harte Zeiten bevor, denn die Türkei bekommt nicht, was sie am dringendsten braucht.

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Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan demonstrieren am Samstagmorgen vor dem türkischen Konsulat in Stuttgart. Quelle: AP

Am Samstagmorgen scheint der vermeintliche Sieger festzustehen. Am Taksim-Platz checken reiche Araber in ihre Hotels ein. Nur in einer Ecke des Platzes stehen Militärpolizisten. Auf der Istiklal, der belebten Einkaufsstraße Istanbul, läuft ein Junge, gehüllt in die rote Flagge der Türkei. Der Putsch ist vorbei - nicht einmal einen halben Tag hat es gedauert, bis Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Anhänger wieder die Kontrolle erlangten.

Gegen 23 Uhr am Freitagabend begann das Chaos. Hubschrauber flogen über Istanbul, kurz darauf auch Kampfflugzeuge. Auf Twitter berichteten Augenzeugen, dass die Bosporus-Brücke gesperrt sei, Soldaten hätten Stellung bezogen. Noch gingen die meisten von einem Terroranschlag aus. Allein in Istanbul hatte es vier Anschläge in den vergangenen sechs Monaten gegeben. Kurz darauf war der Kurznachrichtendienst Twitter gesperrt und nur noch über ein VPN erreichbar.

Nach Mitternacht dann war klar: Teile des Militärs putschen gegen die Regierung. Noch gegen drei Uhr Nachts waren heftige Detonationen in der Innenstadt Istanbuls zu hören. Für einen Moment schien es, als wiederhole sich die türkische Geschichte: Wann immer eine konservative Regierung an die Macht kam, putschte das Militär.

Nicht so dieses Mal.

Erdogan meldete sich über eine Video-Botschaft und forderte das Volk dazu auf, gegen die Putschisten zu demonstrieren. Mit Erfolg. Ein Großteil des türkischen Volks, die Oppositionsparteien und ausländische Regierung kritisierten den Putschversuch des Militärs. Moscheen riefen um zwei Uhr nachts noch Menschen auf, auf die Straße zu gehen. Dem Aufruf folgten Tausende in Istanbul. Bis in die frühen Morgenstunden lieferten sich Demonstranten mit Soldaten Wortgefechte. Beim Fernsehsender CNN Turk war zu sehen, wie Polizisten die Putschisten verhafteten.

Gewinn für Erdogan

Für Erdogan dürfte sich der vereitelte Putschversuch als Gewinn erweisen. Noch am Samstagmorgen sprach er von "einem Geschenk Gottes, um die Armee zu säubern". Die sei durchsetzt von Gülen-Anhängern - einem Prediger, der einst ein Mitstreiter war und heute ein Feind Erdogans ist.

"Blutvergießen in der Türkei muss ein Ende haben"
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Quelle: AP
Europaparlaments-Präsident Martin Schulz Quelle: dpa
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat sich „zutiefst beunruhigt“ über den Putschversuch in der Türkei geäußert. „Alle Versuche, die demokratische Grundordnung der Türkei mit Gewalt zu verändern, verurteile ich auf das Schärfste“, sagte Steinmeier in einer ersten offiziellen Reaktion am Samstag in Berlin. Quelle: dpa
Angela Merkel geht in Ulan Bator beim Asien-Europa-Gipfel zusammen mit Regierungssprecher Steffen Seibert zu einer Sitzung. Quelle: dpa
Außenminister Frank-Walter Steinmeier Quelle: dpa
türkische Soldaten am Taksim-Platz in der Nacht zu Samstag Quelle: dpa

Erdogan dürfte mehr Rückhalt für seine Pläne erhalten, die parlamentarische Demokratie in ein Präsidialsystem umzuwandeln, welches ihm wiederum mehr Rechte einräumt. Die Ereignisse der Nacht von Freitag auf Samstag haben nochmals eindrucksvoll gezeigt, wie groß sein Rückhalt in der Bevölkerung ist. Erdogan geht gestärkt aus den Ereignissen hervor.

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