Unabhängigkeits-Debatte Rajoy droht mit Entmachtung katalanischer Regierung

Die spanische Regierung setzt der Führung in Katalonien das Messer an die Brust. Sollte sie an ihrer Unabhängigkeitserklärung festhalten, könnte sie entmachtet werden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Mariano Rajoy Quelle: AP

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat im Unabhängigkeitsstreit die Weichen für eine mögliche Entmachtung der katalanischen Regierung gestellt. Er verlangte am Mittwoch Klarheit darüber, ob Katalonien auf seiner Unabhängigkeitserklärung beharre. Wenn ja, könnte die Zentralregierung gezwungen sein, Katalonien die Autonomie zu entziehen, sagte Rajoy am Mittwoch. Gleichzeitig stellte Oppositionschef Pedro Sánchez in Absprache mit Rajoy ein neues Autonomiestatut für Katalonien in Aussicht.

Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hatte am Dienstag in seiner Rede vor dem Parlament in Barcelona gesagt, das Ergebnis des Referendums vom 1. Oktober berechtige seine Regierung, die Unabhängigkeit Kataloniens zu erklären.

Ein entsprechendes Schriftstück unterzeichneten er und separatistische Abgeordnete dann auch. Puigdemont erklärte aber, er wolle die tatsächliche Ausrufung der Unabhängigkeit zunächst aussetzen und einen Dialog führen, um die Spannungen zu reduzieren und eine Vereinbarung mit Madrid zu erreichen.

Wo es noch Unabhängigkeits-Bestrebungen gibt
Schon im Mittelalter haben die Basken von der spanischen Krone weitgehende Autonomie erhalten. Quelle: REUTERS
Die Nationalpartei (SNP) der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon hat das Thema Unabhängigkeit Schottlands nach der Wahlschlappe im Juni zurückgestellt, aber nicht aufgegeben. Quelle: dpa
In Nordirland wittert die pro-irische Sinn Fein im britischen EU-Austritt perspektivisch eine Chance, sich von London loszusagen - und Irland anzuschließen. Quelle: dpa
Seit Jahrzehnten streben viele Korsen nach mehr Eigenständigkeit von Frankreich Quelle: REUTERS
In den wirtschaftsstarken Nord-Regionen Lombardei und Venetien sollen die Menschen am 22. Oktober in Referenden über mehr Autonomie abstimmen. Quelle: dpa
Auf der Mittelmeerinsel Sardinien fühlen Separatisten durch Katalonien Rückenwind; Separatisten reisten eigens nach Barcelona. Quelle: dpa
Die flämischen Nationalisten streben ein „völlig unabhängiges Flandern“ als Fernziel an. Quelle: gms

Die Zentralregierung zeigte aber wenig Bereitschaft für irgendeine Vereinbarung. Denn sie wertet das Referendum als illegal und verfassungswidrig. Puigdemont solle klarstellen, ob er und seine Regierung nun eigentlich die Unabhängigkeit erklärt hätten oder nicht, sagte Rajoy nach einer Dringlichkeitssitzung seines Kabinetts. Er und das katalanische Parlament hätten nur Verwirrung gestiftet. Ganz Spanien brauche erst einmal Klarheit darüber, wo man stehe. Diese Klarheit sei auch mit Blick auf den Verfassungsartikel nötig, der der Zentralregierung die Entmachtung der Regionalregierung erlaubt, sagte Rajoy.

Im Verfassungsartikel 155 ist festgelegt, dass die Zentralregierung die gesamte oder die teilweise Kontrolle über die Behörden in einer der 17 Regionen Spaniens übernehmen darf, wenn diese sich nicht an ihre gesetzlichen Verpflichtungen halten. Das Prozedere sieht erst eine Kabinettssitzung und anschließend eine Warnung an die Regionalregierung vor, sich zu fügen. Das hat Rajoy am Mittwoch grundsätzlich bereits erledigt. Als nächstes könnte dann der von Rajoys Volkspartei kontrollierte Senat die Entmachtung Kataloniens bestätigen.

Auch die oppositionellen Sozialisten stärkten Rajoy den Rücken, holten sich im Gegenzug aber ein Bekenntnis der Volkspartei zu einer Verfassungsreform. Parteiführer Sánchez sagte, er habe mit Rajoy vereinbart, innerhalb von sechs Monaten Gespräche über eine Verfassungsreform in Bezug auf die Autonomierechte der spanischen Regionen aufzunehmen. Katalonien solle damit ermöglicht werden, ein Teil Spaniens zu bleiben, sagte Sánchez.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%