Was hat die Orbán-Regierung für Erfolge vorzuweisen?
Die Finanzkrise von 2008/2009 hat die ungarische Wirtschaft schwer getroffen. Das BIP fiel 6,8 Prozent in den Keller. Während andere europäische Länder auch in den Jahren danach in der Rezession verharrten, schaffte Ungarn unter Viktor Orbán den Umschwung. Die Volkswirtschaft wuchs zuletzt um rund ein Prozent, neue Prognosen gehen von plus zwei Prozent in diesem Jahr aus. Und: Ungarn hat als eines der wenigen Staaten die Maastricht-Richtlinien bezüglich des Verschuldungsgrads eingehalten. „Ich glaube es ist eindeutig, dass sich Ungarn zum Positiven gewandelt hat. Als Orbán Ministerpräsident wurde, war das Land wirtschaftlich und auch gesellschaftspolitisch am Ende und kurz vor dem Abgrund“, sagt etwa Christoph Hartig, Österreicher mit ungarisches Wurzeln, der als landwirtschaftlicher Berater in Osteuropa tätig ist. Ungarn habe einen IWF-Kredit, der das Überleben sicherte, abbezahlt und brauche keine fremde Hilfe mehr.
Die Bürger wurden mit einer Steuer- und Energiereform entlastet. In Ungarn gilt eine „flat tax“, alle Bürger zahlen eine Einkommensteuer in Höhe von 16 Prozent. Durch staatliche Interventionen konnten die Energiepreise für Verbraucher gar um 30 Prozent reduziert werden. Trotz allem sind viele Haushalte überschuldet (oftmals durch die Aufnahme von Fremdwährungskrediten). Vier der sieben ungarischen Regionen zählen zu den 20 ärmsten in der EU. Die meisten Betroffenen geben daran aber nicht Fidesz die Schuld, sondern den sozialistischen Vorgängerregierungen.
Ungarns Stärken
Ungarn ist ein Transitland mit gutem Infrastrukturangebot sowie Logistikinfrastruktur und gilt als Brückenkopf zu Ost-/Südosteuropa.
Ungarn verfügt über gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte bei niedrigem Lohnniveau.
Das Land gilt als günstiges Umfeld für Investitionen im verarbeitenden Sektor, allem voran im Kfz-Bau.
Ungarn kann zudem mit einer hohen Produktivität sowie vergleichsweise niedrigen Steuern für kleine und mittlere Unternehmen und höhere Einkommen punkten.
Die Wirtschaft des Landes profitiert von einer engen Verflechtung zu Deutschland, insbesondere Süddeutschland.
Müssen wir uns nach Orbáns Sieg um die Demokratie Ungarn sorgen?
Bestätigt sich der Trend, dass Fidesz seine Zweidrittelmehrheit verteidigt, kann die Orbán-Regierung durchregieren. Wie bisher auch. In der vergangenen Legislaturperiode hat die Orbán-Partei mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit durchregiert und Verfassungsänderungen durchgesetzt – mit zum Teil bedenklichen Auswirkungen. So wurden Obdachlose kriminalisiert, Homosexuelle ausgegrenzt und das Wahlrecht verändert.
Der internationale Aufschrei konnte Viktor Orbán nicht in die Schranken weisen, die Europäische Union hat es erst verpasst, eine starke Drohkulisse aufzubauen – um dann zu lasch auf Orbáns Politik zu reagieren. Verbale Angriffe einzelner (etwa von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz) verpufften bzw. stärkten gar Orbáns Position bei der großen Zahl der EU-kritischen Ungarn.
Die umstrittenen Verfassungsänderungen
Die Höchstrichter dürfen Verfassungsänderungen und -zusätze künftig nur mehr noch verfahrensrechtlich, nicht mehr inhaltlich prüfen. Darüber hinaus ist es ihnen verwehrt, sich auf die eigene Spruchpraxis aus der Zeit vor Inkrafttreten der derzeitigen Verfassung im Januar 2012 zu berufen.
Die vom Ministerpräsidenten ernannte Leiterin des Nationalen Justizamtes bekommt eine Vollmacht, um in bestimmten Fällen die Gerichte zuzuweisen.
Es soll die Möglichkeit geben, dass Wahlwerbung in privaten Medien verboten werden kann.
Wenn Obdachlose auf der Straße übernachten, können sie dafür ins Gefängnis kommen.
Die Regierungsmehrheit im Parlament erhält die Möglichkeit willkürlich über die Zuerkennung des Kirchenstatus zu entscheiden.
Der bisher von der Verfassung gewährte Schutz der Familie soll auf Mann und Frau, die miteinander verheiratet sind und Kinder großziehen, eingeengt werden.
Die Finanzautonomie der Universitäten wird durch von der Regierung eingesetzte Wirtschaftsdirektoren („Kanzler“) eingeengt.
Es gibt per Gesetz die Möglichkeit, Universitätsabgänger, die ohne Studiengebühren studiert haben, auf das Bleiben in Ungarn zu verpflichten.
Lediglich das Verfassungsgericht bot Orbán contra. Der Vorstoß von Fidesz-Abgeordneten, Menschen mit „fehlender politischer Einsichtsfähigkeit“ von der Wahl auszuschließen (Kritiker vermuten eine Attacke auf die Roma) und die Einführung einer allgemeinen Wählerregistrierung, wiesen die Richter zurück.
Unterm Strich müssen also Regierungskritiker (Intellektuelle, Oppositionelle, Kulturschaffende) neue Repressalien fürchten. Wie stark diese sein werden, hängt davon ab, wie lange das Gericht Widerstand probt – Orbàn hat Reformen der Justiz schon auf den Weg gebracht – und ob das Ausland (sowohl die EU, als auch andere Partner wie Russland) Orbàn gewähren lässt.