US-Milliardär Wer hat Angst vor George Soros?

Der legendäre Spekulant hat gerade viele Milliarden Dollar gespendet. Trotzdem ist George Soros, gerade in Osteuropa, derzeit vor allem: ein Buhmann. Wie es dazu kommen konnte.

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Protestplakat gegen George Soros in Polen. Quelle: AP

BUKAREST, Rumänien: Im letzten Winter, inmitten der Proteste gegen Korruption, beschuldigte ein Fernsehsender den in Ungarn geborenen, jüdisch-amerikanischen Milliardär und Philanthropen George Soros, er bezahle Hunde, um Proteste aufzuwiegeln.

Die Demonstrationen in Bukarest, angestachelt von einer Nacht-und-Nebel-Gesetzgebung, die auf die Entkriminalisierung von Korruption zielte, waren die größten, die das Land seit dem Sturz des Kommunismus 1989 gesehen hatte. România TV, ein Fernsehsender, der in Verbindung mit der Regierung steht, wenn auch nicht offiziell von ihr finanziert, behauptete, die Protestierenden seien bezahlt worden.

„Erwachsene erhielten 100 Lei (ca. 22 Euro), Kinder verdienten 50 Lei (€11), und Hunden wurden 30 Lei (€6,70) gezahlt,“ sagte ein Rundfunksprecher.

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Einige Protestierende reagierten, indem sie ihren Hunden Schildchen anhefteten; andere klemmten Geld an die Bekleidung ihrer Haustiere. Ein Hund stand neben einem Schild mit der Aufschrift „Kann jemand 30 Lei in Euro umtauschen?“ Ein anderer Hund trug eines, auf dem stand: „George Soros bezahlte mich, damit ich hier stehe.“

„Im regierungsfreundlichen Fernsehen lügen sie die ganze Zeit. In drei Sätzen bringen sie fünf Lügen unter,“ sagte der Enthüllungsjournalist Andrei Astefanesei gegenüber dem Magazin Foreign Policy vor einem Gyros-Lokal in Bukarest. „Ich habe Ihnen von dieser Lüge erzählt, Soros würde für Hunde zahlen. Er lachte.

România TV wurde für seine Falschaussagen über Soros mit einer Geldstrafe belegt. Doch der Gedanke, dass rund eine halbe Million rumänischer Bürger und ihre Hunde auf die Straßen gingen, weil Soros sie dazu gebracht habe, traf einen empfänglichen Nerv. Diese Vorstellung ist vergleichbar mit der Idee, Soros wäre persönlich dafür verantwortlich, dass Schüler an Rumäniens Sekundarschulen über LGBTQ-Rechte unterrichtet werden; oder Soros hätte die Jugendlichen beeinflusst, die in diesem Jahr die Antikorruptionsproteste in der Slowakei angeführt haben; und Zivilorganisationen und das, was von den unabhängigen Medien noch übrig ist, würden ohne Soros und seine Open Society Foundations nicht existieren.

Die Vorstellung, dass der 87-jährige Soros eigenhändig Unmut schürt, ist nicht auf die europäische Seite des Atlantiks beschränkt; Soros-Verschwörungen sind ein weltweites Phänomen. Im März baten sechs US-Senatoren den Stab des Außenministers Rex Tillerson schriftlich um Prüfung, ob US-Steuergelder in von Soros unterstützte Organisationen flössen.

Auf Twitter wurde Soros auch für das kürzlich stattgefundene katalanische Unabhängigkeitsreferendum und für die Massenerschießung in Las Vegas verantwortlich gemacht.

Doch zu den Orten, an denen der Argwohn gegenüber Soros am ausgeprägtesten ist, zählen Zentral- und Osteuropa. In Rumänien, wo der Vorsitzende der Regierungspartei sagte, dass Soros Böses im Sinn habe, misstraut man dem Milliardär, weil er Ungar ist. In Ungarn, wo Ministerpräsident Viktor Orbán Berichten zufolge erklärt hat, dass Soros ein zentrales Thema der Wahlkampagne im nächsten Jahr sein werde, ist er ein Verräter. Und überall ist er Jude; schon auf die Nennung seines Namens reagiert der Antisemitismus, der sich durch die gesamte Region zieht.

Nun wird Soros' Wirkmächtigkeit als Buhman konservativer Regierungen auf den Prüfstand gestellt, buchstäblich. Ungarn führt eine „nationale Konsultation“ durch, streng genommen ein Referendum, um Soros und seine Meinungen zur Einwanderung abzuurteilen. Der von der Regierung finanzierte Fragebogen richtet sich an die erwachsenen Bürger des Landes und soll ein Meinungsbild über den in Ungarn geborenen Holocaustüberlebenden einholen.

„George Soros hat Menschen und Organisationen gekauft, und Brüssel steht unter seinen Einfluss,“ sagte Orbán in einem Radiointerview am Freitag vor der Beratung. „Sie wollen den Zaun abreißen, Millionen von Einwanderern nach Europa lassen, sie dann mit Hilfe eines verbindlichen Mechanismus verteilen – und sie wollen diejenigen bestrafen, die sich nicht fügen.“

Soros lehnte ein Interview für diesen Artikel ab, aber seitens der Open Society Foundations, dem primären Kanal für Soros' gemeinnützige Bemühungen, wird die Gegenreaktion auf seine Offenheit zurückgeführt. „Er ist ein Mann, der für seine Überzeugungen eintritt,“ sagte Laura Silber, eine Sprecherin der Stiftung, gegenüber Foreign Policy. „Das ist bedrohlich, wenn sich jemand gegen Autokraten und Korruption ausspricht.“

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