USA, China, Russland & Co. Griechenland wird zum Spielball der Mächtigen

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Schwellenländer

Brasilien fühlt sich bestätigt. Schon 2013 schmiedete das Schwellenland eine Koalition innerhalb des Internationalen Währungsfonds IWF, um seine Kritik an den Griechenland-Hilfen Gewicht zu verleihen. Eine Gruppe von elf Ländern aus Lateinamerika und der Karibik enthielt sich bei einer IWF-Abstimmung über die Freigabe weiterer Mittel für das Euro-Krisenland.

Ihre Argumente damals: Die Umsetzung der versprochenen Reformen sei in fast allen Bereichen unbefriedigend. Zudem seien die Prognosen der Geldgeber zur Wachstums- und Schuldenentwicklung viel zu optimistisch.

Die Zweifel waren, so wissen wir heute, berechtigt.

Pressestimmen zu Griechenland
„La Stampa“ (Italien)„Die deutsche Kanzlerin ist die Vorsicht in Person. Oder die Unentschlossenheit in Person? Tatsächlich hat sie in der jüngsten Vergangenheit stets an einem gewissen Punkt, oft völlig überraschend, wichtige Entscheidungen getroffen. Als ob sie die Situation immer bis zum Maximum eskalieren lassen würde, bevor sie eingreift. Bislang ist das gut gegangen. Aber es könnte ein gefährliches Spiel sein.“ Quelle: dpa
„Le Figaro“ (Frankreich)„In Wahrheit ist Tsipras' Aufruf ans Volk nichts anderes als ein politischer „Coup“, der unter der Maske der direkten Demokratie versteckt ist. Unfähig, seine Versprechen zu halten und das Land mit seiner radikalen Mehrheit unter den Bedingungen der katastrophalen Lage der Wirtschaft zu führen, ruft er die Bürger auf, zwischen ihm und Europa zu wählen.“ Quelle: dpa
„De Standaard“ (Belgien)„Die Griechen wissen, dass sie außerhalb des Euro kein Heil zu erwarten haben. Aber wenn sie mit Ja stimmen, wäre das keine Legitimierung der Fortsetzung der gescheiterten Schuldenpolitik. (...) In jedem Fall läuft es auf eine Erniedrigung eines besiegten Volkes hinaus.“ Quelle: AP
„Sme“ (Slowakei)„Wenn in Spanien im Herbst Podemos gewinnt und dem Fiskalpakt den Gehorsam verweigert wie jetzt Syriza der ehemaligen Troika, steht Madrid in ein paar Monaten ebenso am Abgrund wie jetzt Griechenland.“ Quelle: dpa
„Times“ (Großbritannien)„So verführerisch es auch ist, dies als Zerfall des europäischen Traums zu sehen, ist es wahrscheinlich doch eher nur ein Beweis für ein anderes Phänomen, das wir überall auf der Welt beobachten - einen Rückzug vom Internationalismus.“ Quelle: AP
„Irish Times“ (Irland)„Als Nato-Mitglied ist Griechenland ein wichtiger strategischer Verbündeter für die USA, und jede Hinwendung der Syriza-geführten Regierung zu Russland stieße in Washington auf erheblichen Widerstand. Syrizas Versöhnungsgesten in Richtung Wladimir Putin haben vor allem auch osteuropäische Mitgliedsstaaten geärgert. In den kommenden Tagen dürften eher Politik als wirtschaftliche Bedenken entscheiden, ob Deal in letzter Minute vereinbart werden kann, um Griechenland im Euro zu halten.“ Quelle: dpa
„Lidove noviny“ (Tschechien)„Wenn Griechenland das einzige verschuldete Euroland wäre, würde es vielleicht bekommen, was es will. Doch im Herbst werden in Spanien Wahlen erwartet, der viertgrößten Wirtschaft der Eurozone. Die dortige Podemos-Bewegung würde gerne wie Syriza in Griechenland die Regierung übernehmen und die Bedienung der Staatsschulden einschränken. Das ist eine vergleichbare Gefahr für ganz Europa wie ein „Grexit“.“ Quelle: dpa

Griechenland konnte dieser Tage einen Kredit des Währungsfonds über 1,6 Milliarden Euro nicht zurückzahlen. Neue Hilfen kommen heute für viele Schwellenländer nicht infrage. Griechenland habe genug Finanzspritzen bekommen, glauben sie. Zudem sei Europa ein reicher Kontinent, selbst die Griechen könnten bei ein bisschen Disziplin ihrer Lage selbst Herr werden. Zumindest seien sie deutlich wohlhabender als viele Schwellen- und Entwicklungsländer. Eine Einschätzung, der man kaum widersprechen kann.

IWF-Chefin Christine Lagarde, die im nächsten Jahr im Amt bestätigt werden will, weiß um das Unbehagen der Schwellenländer – und verschärft den Ton im Schuldenstreit. Auch ein kompletter Rückzug der Washingtoner Behörde ist nicht mehr undenkbar.

Genau diesen radikalen Schritt fordern Brasilien, Ecuador oder die Dominikanische Republik. Wohlgemerkt: Der Wunsch nach einem IWF-Abschied aus den Rettungsprogrammen heißt nicht, dass die Schwellenländer den Grexit wollen. Ähnlich wie die USA, Russland oder China gibt es auch hier Sorgen, dass ein Hellas-Aus die Euro-Krise neu entfachen und die Weltwirtschaft ausbremsen könnte.

Dann würden sich die eigenen Aussichten verdunkeln. Zumal die Weltbank ohnehin schon von schwächeren Wachstumsraten als zunächst prognostiziert ausgeht. Für Brasilien korrigierte die Weltbank neulich ihre Prognose um 2,3 Prozentpunkte nach unten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde dort um 1,3 Prozent sinken.

Ein Aufflammen der Euro-Krise kann die brasilianische Regierung also nicht gebrauchen. Sie hofft, dass Europa die Griechen einmal mehr rausboxt – und dass der IWF sich wieder mehr auf die Schwellen- und Entwicklungsländer konzentriert.

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