Valdis Dombrovskis "Die Griechen machen mir Sorgen"

Griechenland erhält weitere 1,1 Milliarden an Hilfsgeldern, am Dienstag treffen sich die EU-Finanzminister und beraten den Stabilitäts- und Wachstumspakt. EU-Kommissionsvize Dombrovskis droht im Interview Haushaltssündern mit Sanktionen, will die Bankenunion vollenden und Kredite für Investitionen lockermachen.

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Valdis Dombrovskis Quelle: REUTERS

WirtschaftsWoche: Herr Dombrovskis, die Europäische Kommission hat im Sommer auf Strafzahlungen für Defizitländer verzichtet. Ist der EU-Stabilitätspakt noch glaubwürdig?
Dombrovskis: Es stimmt, dass wir beschlossen haben, keine Strafen gegen Spanien und Portugal zu verhängen. Man sollte aber nicht vergessen, dass es zwei Arten von Sanktionen gibt: Das eine sind Strafzahlungen, das andere ist die Aussetzung von EU-Strukturmitteln. Und über Letzteres ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Diskussionen zwischen der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament dauern an.

Rechnen Sie ernsthaft damit, dass diese Mittel gekürzt werden?
Richtig ist: Für Strafzahlungen gibt es keinen Präzedenzfall. Aber Strukturmittel haben wir schon einmal ausgesetzt, nämlich im Jahr 2012 für Ungarn. Die ungarische Regierung hat damals prompt den Haushalt korrigiert und notwendige Anpassungen vorgenommen – woraufhin wir die Strukturmittel freigegeben haben. Dieses Instrument wirkt also.

Bei großen Mitgliedern war die Kommission in der Vergangenheit notorisch großzügig. Frankreich muss 2017 sein Defizit unter drei Prozent drücken. Ist das realistisch, wenn Ende April Präsidentschaftswahlen anstehen?
Der französische Finanzminister Michel Sapin hat mir versichert, dass er das exzessive Defizit korrigieren wird.

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Aber die französische Regierung kalkuliert mit einem viel zu optimistisch angesetzten Wachstum.
Wenn der Haushaltsplan eines Mitgliedstaats sehr weit vom Stabilitätspakt abweichen sollte, werden wir den Plan zurückschicken und Nachbesserungen fordern. Aber die Signale, die ich aus Frankreich bekomme, deuten hoffentlich darauf hin, dass dies nicht notwendig sein wird.

Athens Reparationsforderungen an Deutschland

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat kürzlich der griechischen Wirtschaft ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Bleibt das Land ein ewiger Problemfall?
Griechenland bereitet mir Sorge, weil es das einzige Land in der Euro-Zone mit einem Hilfsprogramm ist und es das zweite Hilfsprogramm nicht erfolgreich beendet hat. Aber es gibt gute Nachrichten: Im zweiten Quartal ist Griechenlands Wirtschaft wieder gewachsen. Es könnte nächstes Jahr so weitergehen, wenn die Reformen weiter umgesetzt werden. Wir gehen davon aus, dass Griechenland 2016 sein Haushaltsziel – einen Primärüberschuss von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – erfüllen wird.

Drittes Rettungsprogramm für Griechenland

Aber die Strukturprobleme bleiben. Der IWF kritisiert, dass nur noch 25 Prozent der fälligen griechischen Steuern eingetrieben werden. 2010 waren es noch 50 Prozent.
Die Steuereintreibung ist eines der Probleme. Wir leisten dazu aber technische Hilfe.

Will der IWF zu verstehen geben, dass er sich am dritten Rettungsprogramm für Griechenland nicht mehr beteiligen wird?
Wir arbeiten daran, dass der IWF mit an Bord bleibt. Mehr werden wir wissen, wenn wir die zweite Überprüfung des laufenden Programms abschließen. Das soll in diesem Herbst passieren. Allerdings sind Prognosen schwierig. Die vorherige Überprüfung sollte im November vergangenen Jahres beendet sein und zog sich in den Juni.

Der Euro bleibt eine große Baustelle. Was planen Sie, um die Währung zu stärken?
Wir wollen die Bankenunion vervollständigen. Die beiden ersten Säulen stehen schon, Bankenaufsicht und -abwicklung. Die dritte Säule, die gemeinsame Einlagensicherung, haben wir schon vorgeschlagen – mit der Maßgabe, dass wir die Risiken im Bankensektor senken müssen, wenn wir sie vergemeinschaften. Deswegen werden wir bis Ende des Jahres einen Vorschlag zu Kapitalanforderungen bei den Banken vorlegen.

An Griechenland hängt mehr als nur der Euro

Die Euro-Zone ist aber immer noch schlecht gegen Schocks in Ländern gewappnet.
Die EU-Kommission bereitet für kommenden März ein Weißbuch mit weiteren Schritten zur Vervollständigung der Wirtschafts- und Währungsunion vor. Eine Diskussion bezieht sich auf einen Stabilisierungsmechanismus. Der ist auch als Fiskalkapazität bekannt. Eine Variante wäre, etwa Kredite an Krisenstaaten zu vergeben, um Investitionen zu unterstützen. Auf diese Weise würde man Kreditengpässe vermeiden, die das Wachstum weiter schwächen. Stattdessen würden Investitionen gestärkt – und dauerhafte Fiskaltransfers zwischen EU-Mitgliedstaaten vermieden. Eine andere Variante ist die europäische Arbeitslosenversicherung …

… die in Berlin abgelehnt wird. Zu Unrecht?
Die Diskussionen dauern noch an, und es gibt Finanzminister, die eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung bevorzugen. Andere sind einer anderen Meinung. Ich selbst plädiere für die Investitionsvariante.

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