Aber die Strukturprobleme bleiben. Der IWF kritisiert, dass nur noch 25 Prozent der fälligen griechischen Steuern eingetrieben werden. 2010 waren es noch 50 Prozent.
Die Steuereintreibung ist eines der Probleme. Wir leisten dazu aber technische Hilfe.
Will der IWF zu verstehen geben, dass er sich am dritten Rettungsprogramm für Griechenland nicht mehr beteiligen wird?
Wir arbeiten daran, dass der IWF mit an Bord bleibt. Mehr werden wir wissen, wenn wir die zweite Überprüfung des laufenden Programms abschließen. Das soll in diesem Herbst passieren. Allerdings sind Prognosen schwierig. Die vorherige Überprüfung sollte im November vergangenen Jahres beendet sein und zog sich in den Juni.
Der Euro bleibt eine große Baustelle. Was planen Sie, um die Währung zu stärken?
Wir wollen die Bankenunion vervollständigen. Die beiden ersten Säulen stehen schon, Bankenaufsicht und -abwicklung. Die dritte Säule, die gemeinsame Einlagensicherung, haben wir schon vorgeschlagen – mit der Maßgabe, dass wir die Risiken im Bankensektor senken müssen, wenn wir sie vergemeinschaften. Deswegen werden wir bis Ende des Jahres einen Vorschlag zu Kapitalanforderungen bei den Banken vorlegen.
An Griechenland hängt mehr als nur der Euro
Seit Wochen betonen die Euro-Partner, dass die Ansteckungsgefahr nach einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone eher gering wäre. Zum einen wird darauf verwiesen, dass sich heute fast alle griechischen Schulden bis auf 40 bis 50 Milliarden Euro in der öffentlichen Hand befinden - eine Kettenreaktion kollabierender Banken also nicht zu befürchten sei. Zum anderen hätten sich Gläubiger seit langem auf mögliche Probleme eingestellt und ihre griechischen Geschäfte reduziert.
Alles falsch, meint Schulz und verweist darauf, dass die Risikoaufschläge etwa für spanische Staatsanleihen in den vergangenen Wochen erheblich gestiegen seien. Kommt ein Staatsbankrott, würde der möglicherweise einen Schuldenschnitt nach sich ziehen - mit erheblichen Belastungen für die klammen Haushalte etwa der südlichen EU-Staaten, aber auch Frankreichs.
Außerdem könnte das Vertrauen in den Euro als Währung weltweit Schaden nehmen, wenn eines der 19 Mitglieder ausbreche, heißt es in der Bundesregierung. Dabei spiele keine große Rolle, dass Griechenland weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Währungszone beisteuere. Denn die angebliche Unumkehrbarkeit der Euro-Einführung wäre widerlegt.
In Berlin fürchtet man aber auch, dass ein Kollaps Griechenlands den Befürwortern eines britischen Austritts aus der EU Auftrieb geben könnte. Europa droht also an seinen Rändern zu zerfasern. Der Grund ist einfach: Die EU wäre nach einem Ausstieg Athens wahrscheinlich in einem so desolaten Zustand und müsste so viel kurzatmige Rettungsaktionen für Griechenland starten, dass die Gemeinschaft auf britische Wähler kaum noch attraktiv wirken dürfte. Möglicherweise würden zudem mehr Griechen das eigene Land auch Richtung Großbritannien verlassen wollen. Die Briten schimpfen aber bereits jetzt über zu viele Migranten aus anderen EU-Ländern - dies ist einer der Kritikpunkte der EU-Gegner auf der Insel.
Griechenland ist nicht nur ein angeschlagener Euro-Staat, sondern auch ein schwieriger EU-Partner. Mit seiner Linksaußen- Rechtsaußen-Regierung betonte Ministerpräsident Alexis Tsipras politische Nähe zum Kreml und hat sich mehrfach mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. In der EU gibt man sich zwar gelassen, dass Russland nicht als alternativer Geldgeber gegen die EU ausgespielt werden kann - dafür sind die nötigen Hilfssummen viel zu groß. Auch die Träume des Links-Politikers, dass Griechenland Verteilland für russisches Gas in der EU werden könnte, dürften sich angesichts des Vorgehens der EU-Kommission gegen den russischen Gasriesen Gazprom zerschlagen. Aber Putin hat nach Ansicht von EU-Diplomaten durchaus schon bewiesen, dass er Differenzen zwischen EU-Staaten ausnutzen kann. Bei der Verlängerung von EU-Sanktionen gegen Russland braucht es etwa auch die Zustimmung Griechenlands.
In Berlin sorgt man sich zunehmend, dass die gesamte Balkan-Region ohnehin sehr instabil werden kann. Immer noch gärt der Namensstreit zwischen Griechenland mit dem EU-Beitrittsaspiranten Mazedonien - in dem ein heftiger innenpolitischer Machtkampf tobt. Und Geheimdienste warnen, dass die radikalislamische Miliz Islamischer Staat (IS) in den vergangenen Monaten massiv versucht hat, in den moslemischen Bevölkerungen Bosnien-Herzegowinas, Albaniens oder Mazedoniens Fuß zu fassen. Ein zusammenbrechender Nachbarstaat Griechenland würde die Unruhe in der Region noch verstärken.
Kaum diskutiert worden ist die Rolle Griechenlands bei der Abwehr eines unkontrollierten Zuzugs von Flüchtlingen in die EU. In den vergangenen Jahren hat der bessere Schutz der griechisch-türkischen Grenze Flüchtlingen aus dem Nahen Osten die Einwanderung in die EU zumindest zum Teil erschwert. Die linke Syriza-Partei könnte im Falle eines Staatsbankrotts die Schleusen für afrikanische oder syrische Flüchtlinge aufmachen. Entsprechende Drohungen waren aus Athen bereits zu hören. Denn seit Jahresbeginn seien bereits 46.000 Flüchtlinge nach Griechenland gekommen, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit. 2014 waren es im selben Zeitraum nur 34.000 Personen. Die Vereinten Nationen warnen bereits vor einer Flüchtlingskatastrophe in Griechenland.
EU-Kommissar Günther Oettinger forderte die Brüsseler Behörde auch deshalb auf, einen "Plan B" zu erarbeiten. Dabei soll Hilfe für das Land für den Fall eines Bankrotts vorbereitet werden. Neben humanitärer Hilfe gehe es um die Frage, wie man eigentlich die Sicherheit in dem EU-Land noch gewährleisten will, wenn die Regierung den Polizisten keine Löhne mehr zahlen kann.
Die Euro-Zone ist aber immer noch schlecht gegen Schocks in Ländern gewappnet.
Die EU-Kommission bereitet für kommenden März ein Weißbuch mit weiteren Schritten zur Vervollständigung der Wirtschafts- und Währungsunion vor. Eine Diskussion bezieht sich auf einen Stabilisierungsmechanismus. Der ist auch als Fiskalkapazität bekannt. Eine Variante wäre, etwa Kredite an Krisenstaaten zu vergeben, um Investitionen zu unterstützen. Auf diese Weise würde man Kreditengpässe vermeiden, die das Wachstum weiter schwächen. Stattdessen würden Investitionen gestärkt – und dauerhafte Fiskaltransfers zwischen EU-Mitgliedstaaten vermieden. Eine andere Variante ist die europäische Arbeitslosenversicherung …
… die in Berlin abgelehnt wird. Zu Unrecht?
Die Diskussionen dauern noch an, und es gibt Finanzminister, die eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung bevorzugen. Andere sind einer anderen Meinung. Ich selbst plädiere für die Investitionsvariante.