Viktor Orbán "Wo das endet, ist nicht absehbar"

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"Merkel kann gar nicht schwach werden"

Was bedeutet Macht für Sie persönlich?

Verantwortung. Ich war 16 Jahre in der Opposition und erst zehn Jahre an der Regierung.

Wie sieht Ihre weitere Lebensplanung aus?

 Ich repräsentiere den alten Schlag von Politikern. In der modernen Politik ist es üblich, nach einer verlorenen Wahl in die Wirtschaft zu wechseln. Ich gehöre nicht zu dieser Schule. Ich befasse mich schon seit jungen Jahren mit Politik und werde das noch als Rentner tun. Ich bleibe also in den kommenden 15 bis 20 Jahren in der Politik, mal in der ersten, mal in der dritten Reihe. Wo genau, entscheiden die Wähler.



Sie sind ja nicht nur für einen Plausch mit Helmut Kohl nach Deutschland gekommen, sondern haben auch Wirtschaftsgespräche in Deutschland geführt. Wie wichtig sind diese Beziehungen?

Enorm wichtig. Unser Land liefert allein nach Baden-Württemberg jedes Jahr Waren im Wert von sechs Milliarden Euro. Das ist für unsere Verhältnisse gewaltig. Die Deutsche Auslandshandelskammer in Budapest hat gerade eine Umfrage veröffentlicht, wonach 90 Prozent der deutschen Unternehmen in Ungarn zufrieden sind.

In den vergangenen Jahren hat Ihre Regierung immer wieder Investoren aber auch durch eine Bankenabgabe und Sondersteuern für ausländische Unternehmen irritiert.

Das geschah während der Weltfinanzkrise. Ungarn war 2008 das erste Land, das wirtschaftlich zusammengebrochen ist. Und es ging nicht an, dass die Lasten der Krise nur von den einfachen Menschen getragen wurden. Große und reiche Unternehmen mussten auch ihren Beitrag schultern. Ungarn ist aus der Krise so gut herausgekommen, dass wir vor zwei Wochen die letzten IWF-Darlehen zurückgezahlt haben. Wir haben Deutschland nicht um Hilfe bitten müssen. Aber die Lasten der Krise mussten alle tragen: private Haushalte, Banken und eben auch die großen Unternehmen.

Macht es Ihnen eigentlich angesichts Ihrer eigenen engen Bande zu Deutschland Sorge, dass Kanzlerin Merkel aufgrund der Flüchtlingskrise bald nicht mehr die stärkste Politikerin in Europa sein könnte?

Deutschland ist das stärkste Land in Europa. Wir können dem Wolf sagen, von nun an Gras zu fressen, aber das entspricht nicht seiner Natur. Und Europa kann nur mit einem starken Deutschland gelingen.

Wir haben nach Frau Merkel gefragt, nicht nach Deutschland.

Merkel hat mit dem starken Deutschland so viel politisches Gewicht hinter sich, dass sie gar nicht schwach werden kann. Sie ist wie ein Lastwagenfahrer und kann nicht einfach so tun, als ob sie in einem VW Golf säße. Die europäische Konstruktion ist ja eine gute. Deutschland kann stark sein, ohne dadurch andere Länder zu gefährden.

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