Volksabstimmung Schweizer lehnen mehr Urlaub ab

Das kommt dabei rum, wenn das Volk entscheidet: Die Schweizer wollen nicht mehr Urlaub, sondern mehr Arbeit. Die Krise lässt das Alpenland um seine Jobs fürchten.

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Ältere Mitarbeiter dürfen mehr Urlaub bekommen
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat geurteilt, dass ältere Mitarbeiter durchaus mehr Jahresurlaub bekommen dürfen, als ihre jüngeren Kollegen. Im konkreten Fall ging es um einen 58-Jährigen, der zwei Tage mehr Urlaub als seine Kollegen unter dieser Altersgrenze bekam. Einer der jungen Kollegen fühlte sich benachteiligt und klagte - ohne Erfolg. Der Mehrurlaub solle sicherstellen, dass ältere Arbeitnehmer erwerbsfähig bleiben, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Verlängerung des Jahresurlaubs sei ein bewährtes Mittel zum Schutz der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, erläuterte das Gericht. Quelle: dpa
Einen ganzen Sommer auf Mallorca, was wäre das schön. Eine Umfrage des Job-Portals Monster und dem Meinungsforschungsinstitut YouGov zeigt: Die Mehrheit der Deutschen hält durchschnittlich 30 bezahlte Urlaubstage im Jahr für zu wenig. Besonders junge Arbeitnehmer befinden die Zahl der freien Tage für zu niedrig. 75 Prozent der 18- bis 34-Jährigen fordert mehr Urlaub. Dabei ist Deutschland bei der Zahl der Urlaubstage schon ganz vorne dabei im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Ein Überblick: Quelle: dpa
Auch in Dänemark gibt es im Schnitt 30 Tage Urlaub. Quelle der Zahlen: Statista.com Quelle: dpa
Ein Reisender geht an einem Plakat des Komitees "Ferieninitiative-nein" vorbei Quelle: dpa
In Italien gibt es im Durchschnitt 28 Tage bezahlten Urlaub. Quelle: dpa
A woman identified as "Frau Antje" is dressed in traditional Dutch costume selling tulips, the traditional flower of Holland, in front of the Nieuwe Kerk, New Church, in the center of Amsterdam Quelle: AP
Prähistorische Grabstätte - der rund 5000 Jahre alte Poulnabrone Dolmen in Irland Quelle: gms

Spinnen die Schweizer? Der durchschnittliche Urlaubsanspruch beträgt dort vier Wochen, das ist deutlich weniger als deutsche Arbeitnehmer im Jahr zur Verfügung haben. Trotzdem haben sich die Eidgenossen am Sonntag in einer Volksabstimmung gegen mehr Urlaub entschieden. Rund 67 Prozent der Teilnehmer stimmten laut Hochrechnung des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens (SF) gegen die Initiative des Gewerkschaftsdachverbandes Travail Suisse. Diese hatte sechs Wochen Mindesturlaub pro Jahr gefordert. Sie sagten, Arbeitnehmer bräuchten angesichts eines gestiegenen Leistungsdrucks mehr Zeit für Erholung. Das wollten aber nur rund 33 Prozent der Wähler – in Frankreich wäre das wohl nicht passiert.

Angst vor Jobverlust

Die Wahlbeteiligung lag bei 45 Prozent – das Thema „mehr Ferien“ scheint in der Schweiz auf keine große Anhängerschaft zu treffen. Oder die Schweizer sind lange nicht so erschöpft, wie es der Travail Suisse dargestellt hat. Der Anteil derer, die körperlich arbeiten, ist in der Schweiz sehr gering, drei von vier sind im Dienstleistungsbereich tätig. Maschinenbau- oder Chemieindustrie machen gerade einmal 23,4 Prozent aus. Zumindest körperliche Erschöpfung spielt also für einen Großteil eine eher untergeordnete Rolle. Außerdem lohnt sich mehr Arbeit in der Schweiz – die Angestellten haben deutlich mehr Netto vom Brutto übrig als der Rest von Europa.

Darüber hinaus müssen auch die Schweizer um ihre Jobs fürchten: Die Konjunktur schwächelt, der starke Franken bremst den Export. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse dürfte mit seiner Gegenkampagne „Mehr Ferien, weniger Jobs“ so manchen Nerv getroffen haben. Im Vorfeld der Abstimmung hatten der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sowie die Regierung zur Ablehnung der „Ferieninitiative“ aufgerufen.
Sie warnten, dass eine Verlängerung des Mindesturlaubs Milliarden kosten und zur Verlagerung von Arbeitsplätzen in Euro-Länder wie Deutschland führen würde, wo die Lohnkosten deutlich niedriger seien.

Travail Suisse nannte das „reine Angstmacherei“. Vielleicht war es tatsächlich angst, die die Schweizer sich gegen mehr Urlaub entscheiden ließ, der Direktor des Schweizerischen Gewerkschaftsverbandes, Hans-Ulrich Bigler, nannte es „Realitätssinn“. Und auch der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) reagierte erfreut auf das deutliche Nein zur sogenannten Ferieninitiative. Die Bürger hätten erkannt, dass „etwas, das anfangs angenehm tönt, bei näherem Nachdenken doch verschiedene Nachteile bringt“, sagte SAV-Präsident Thomas Daum.

Mit Material von dpa

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