Vor dem EU-Gipfel Nun droht der „harte Brexit“ – was bedeutet das?

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4. Was bedeutet ein harter Brexit?

Der sogenannte „harte Brexit“ ist genau jenes Szenario, das viele in Politik und Wirtschaft vermeiden wollen. Wenn sich EU und Großbritannien nicht einigen sollten, käme es schlimmstenfalls zu einem unkontrollierten Austritt. Das Vereinigte Königreich wäre dann kein EU-Mitglied mehr und ein Drittstaat wie viele andere auch – ohne Zugang zum Binnenmarkt.

Insbesondere für die britische Wirtschaft wäre das ein herber Schlag, eine Rezession wahrscheinlich.

Die Regierung von Theresa May weiß das nur zu gut und versucht deshalb durch die Hintertür einen Zugang zum Binnenmarkt zu erhalten. Ihr Plan: Sie wird wohl versuchen, mit den Europäern ein tiefgehendes Freihandelsabkommen zu verhandeln, was den Briten einen Großteil der Vorteile vom Binnenmarkt sicherstellen soll – ohne die vier Freiheiten, finanzielle und rechtliche Auflagen akzeptieren zu müssen.

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Ein solcher Plan braucht vor allem Zeit, glaubt Nicolai von Ondorza. „An Ceta und TTIP können wir sehen, dass ein solcher Prozess ein Jahrzehnt dauern kann“, sagt der EU-Experte. Bis zum Frühjahr 2019, wenn die zweijährige Verhandlungsphase vorbei ist, rechnet Ondarza höchstens mit einem Übergangsvertrag.

4. Wie geht es für Europa insgesamt weiter?

Die Brexit-Verhandlungen bedeuten vor allem eines: Europa wird sich jahrelang mit sich selbst beschäftigen. Klar, Themen wie die Ukraine-Krise, der Krieg in Syrien und die Frage, wie die Gemeinschaftswährung um eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik ergänzt werden kann, bleiben auf der Tagesordnung. Künftig wird es bei nahezu jedem EU-Gipfel aber auch stets um den Brexit gehen. Das frisst Zeit und Ressourcen – in Brüssel und den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten.

Wo die großen Brexit-Baustellen sind

Und die Briten wiederum haben bereits klar gemacht, dass sie ihr Stimmrecht bis zum letzten Tag ihrer Mitgliedschaft voll ausnutzen werden. So stemmt sich London beispielsweise gegen eine weitere Integration in der Verteidigungspolitik. Viele EU-Staaten halten es für sinnvoll, sich in militärischen Fragen enger abzustimmen, Stichwort Aufgabenteilung. Nicht jedes Mitgliedland soll alle militärischen Fertigkeiten haben müssen. Die Briten wollen genau das verhindern.

Die Europäische Union wird in den nächsten zweieinhalb Jahren also nicht nur den britischen EU-Austritt stemmen müssen. Sie muss auch ertragen, dass die Briten über die Zukunft der Union mitbestimmen werden, obwohl sie dieser gar nicht mehr angehören werden. Europa drohen viele Jahre politischer Lähmung.

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