Vor dem EU-Gipfel Nur noch 365.000 Flüchtlinge pro Jahr?

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Warum die Menschen in Idomeni enttäuscht werden

 Zwischen den EU-Partnern wird darüber diskutiert, jeden Tag rund 1.000 Syrer aus der Türkei in die EU zu holen. Auf ein volles Jahr gerechnet, läge ein gesamteuropäisches Flüchtlingskontingent also bei 365.000 Menschen. Angesichts der 1,1 Millionen Menschen, die Deutschland im Jahr 2015 alleine aufgenommen hat, erscheint die Zahl verkraftbar.

 Josef Janning vom „European Council on Foreign Relations“ geht davon aus, dass sich ein großer Teil der EU-Staaten in dieser Frage verweigern wird.  „Angela Merkel wird keine Lösung mit allen 28 Staaten hinbekommen“, sagt der Politikwissenschaftler. Für die Kanzlerin gehe es nun darum, Länder wie Belgien, Luxemburg, die Niederlande sowie die nordischen Staaten für ihren Plan zu gewinnen. „Auch Österreich kann weiterhin ein Partner sein – trotz Streit um die Schließung der Balkanroute“, sagt Janning. „Die Kanzlerin wird versuchen jeden Kompromiss als europäische Lösung zu verkaufen, selbst wenn Deutschland als einziges Land Flüchtlinge aufnimmt.“

 Ist der Türkei-Deal mit dem Gesetz vereinbar?

 Menschenrechtsorganisationen wie „Pro Asyl“ werfen den Europäern vor, ihre Prinzipien zu verraten. Und selbst die EU-Kommission zweifelt, ob der Deal rechtlich unbedenklich ist. „Alle Rückführungen müssen im Einklang mit dem Europa- und dem Völkerrecht verankerten Bestimmungen über den Schutz von Flüchtlingen erfolgen“, heißt es in einer Einschätzung der EU-Kommission.

 Griechenland muss die Türkei zunächst zum sicheren Drittstaat erklären, damit alle Flüchtlinge zurückgeführt werden können.  In der Türkei muss dann der Asylantrag jedes Flüchtlings individuell geprüft werden. Pro Asyl bezweifelt, dass die Türkei diese Standards einhalten wird.

Was geschieht mit den Flüchtlingen, die in Griechenland gestrandet sind?

 Für Menschen, die sich derzeit in Idomeni und anderen griechischen Flüchtlingscamps aufhalten, muss Europa eine separate Lösung finden. Die Rückführungsregel mit der Türkei soll nur für Neuankömmlinge gelten. EU-Experte Janning glaubt, dass ein Großteil wohl in Griechenland bleiben muss. „Aus innenpolitischen Gründen kann Merkel nicht alle nach Deutschland holen.“

 Fazit: Die Kanzlerin muss die europäischen Partner von zwei Punkten überzeugen: Visafreiheit für alle Türken und Kontingente für syrische Flüchtlinge. Der Widerstand ist immens. Ob Merkels oft beschworene europäische Lösung Realität wird, entscheidet sich bis zum Wochenende in Brüssel.

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