Ein Blick in die Dokumente des slowenischen Statistikbüros verdeutlicht die Problematik. So sind die Lohnnebenkosten seit der Euro-Einführung 2007 bis heute um 18 Prozent gestiegen. Eine Arbeitsstunde kostet nun im Durchschnitt 14,40 Euro. Das ist zwar noch deutlich unter dem Schnitt der Länder der Europäischen Union (23,10 Euro). Gleichzeitig kostet die Arbeitsstunde in Slowenien aber mehr als im Nachbarland Slowakei (8,40 Euro), in Polen (7,10 Euro) oder in Estland (8,10 Euro).
Zum Problem werden die hohen Kosten erst dann, wenn die Produktivität nicht im gleichen Maße steigt. Genau das aber ist in Slowenien passiert. "Hier wurden in der Vergangenheit viele Managementfehler begangen", sagt Rantzen. "Gut laufende Unternehmen haben sich andere Spielfelder gesucht und viel Geld in Immobilen gepumpt oder sich bei Banken und in der Bauwirtschaft eingekauft, anstatt in neue Maschinen und Anlagen zu investieren. Andernorts wurde der Gewinn komplett aus den Unternehmen gezogen." Während die Kosten explodierten, stagnierte die Leistungsfähigkeit. Heute sind viele Unternehmen überschuldet. Die Zahl der Unternehmenspleiten ist im zweiten Quartal um 24 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegen.
Die 10 Gebote für die Euro-Zone
Kein Staat darf sein Defizit über drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigen lassen. Tut er es doch, wird automatisch eine Geldstrafe gegen ihn verhängt.
Der EU-Finanzministerrat darf Strafverfahren gegen Haushaltssünder nur noch in absoluten Ausnahmefällen stoppen - und dann nur mit Zweidrittelmehrheit. Das wird im neuen EU-Vertrag von Lissabon festgeschrieben.
Jeder Euro-Staat muss eine Schuldenbremse in seiner Verfassung verankern. Der europäische Pump-Kapitalismus gehört der Vergangenheit an.
Euro-Länder, die die Schuldenbremse nicht vorschriftsgemäß in ihrer Verfassung verankert haben, können vor dem europäischen Gerichtshof verklagt werden. Damit bekommt Europa in Finanzfragen Vorrang vor den Nationalstaaten.
Der griechische Schuldenschnitt bleibt ein einmaliger Sündenfall, der sich nicht wiederholen darf. Rechtsicherheit für Investoren wird im Gründungsvertrag des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM festgeschrieben.
Die Euro-Zone bekommt eine echte Wirtschaftsregierung: Die Regierungschefs der Mitgliedstaaten treffen sich jeden Monat zu einem Gipfel, um ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren und das Wachstum gemeinsam anzukurbeln.
Die Europäische Zentralbank ist und bleibt unabhängig. Sie entscheidet selbst, ob und wie viele Staatsanleihen sie ankauft. Die Regierungen der Euro-Zone äußern sich dazu nicht.
Euro-Bonds sind nicht geeignet, die Schuldenkrise zu lösen. Sie werden vorläufig nicht eingeführt. Jeder Euro-Staat haftet weiter individuell für seine Schulden.
Deutschland und Frankreich übernehmen als größte Volkswirtschaften de facto die politische Führung in der Euro-Zone. Das steht so nirgends, wird aber von fast allen akzeptiert.
Die Euro-Zone marschiert voran in Richtung Fiskalunion und lässt dabei notfalls die zehn Nicht-Euro-Länder hinter sich. Wenn EU-Vertragsänderungen nicht mit allen 27 Staaten machbar sind, werden sie eben von den 17 Euro-Ländern allein beschlossen.
Die Beamten und Angestellten hingegen nahmen die Lohnerhöhungen dankbar an und investierten vielerorts in ein Eigenheim. Solides Eigenkapital war selten vorhanden, doch an ein Ende des Booms dachte keiner. Auch die Banken nicht. Durch die Einführung des Euro konnte sich Slowenien und dessen Bankensektor günstig Geld beschaffen. Dieses Geld wurde bereitwillig weitergereicht, auch an zweifelhafte Schuldner. "Hinzu kommt ein slowenischer Sonderfall: Hier herrscht das Bauherrenmodell", sagt Gertrud Rantzen. "Baufirmen kaufen Grundstücke auf und ziehen ganze Kolonien hoch – obwohl vorauszusehen war, dass die Nachfrage irgendwann nachlässt." Eine Immobilienblase bildete sich, ähnlich wie in den USA und in Spanien.
Der Ernst der Lage wird verkannt
Inzwischen ist der Traum von den eigenen vier Wänden bei vielen Slowenen geplatzt. Die Banken sitzen auf faulen Krediten, die Bauwirtschaft ist nahezu vollständig kollabiert. Auch die Möbelindustrie ist schwer angeschlagen. Wer kein Haus kauft, braucht schließlich auch keine neue Einrichtung.
Doch Staat und Bürger haben die Alarmzeichen viel zu spät erkannt. "Slowenen sind grundsätzlich immer optimistisch. Man geht hier gelassener mit Krisen um als etwa in Deutschland", weiß Gertrud Rantzen. Keine Frage: Es ist eine positive Eigenschaft, das Glas halbvoll, statt halbleer zu sehen. Zumal die Slowenen durchaus Kraft aus ihrer Vergangenheit ziehen können. "Nach der Unabhängigkeit des Landes sind große Märkte in Osteuropa weggebrochen. Slowenien rutschte in eine große Krise, aus der man sich aus eigener Kraft herausgezogen hat", berichtet die Geschäftsführerin der deutsch-slowenischen Handelskammer. Zum Problem wird diese lobenswerte Charaktereigenschaft nur, wenn sie den Blick auf die Realität trübt. Genau davon berichtet Rantzen: "Die jungen Menschen sind es gewohnt, dass es immer nur aufwärts geht. Vielen von denen haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt, sie sind noch nicht ganz in der Realität angekommen."