Wer abergläubisch ist, hätte schon 2006 mahnend den Finger gehoben. Vor sechseinhalb Jahren stellte Slowenien offiziell den Antrag, Mitglied der Euro-Zone zu werden – als 13. Land. Doch unbeeindruckt ob der Unglückszahl zogen die Europäische Union und das aufstrebende ost-europäische Land die Abschaffung des Tolar innerhalb von wenigen Monaten durch. Am 1. Januar 2007 führte Slowenien den Euro ein. Heute steht das Land so schlecht da wie zuletzt nach dem Jugoslawien-Krieg Anfang der 1990er-Jahre.
Die Ratingagentur Moody's senkte Anfang August die Kreditwürdigkeit Sloweniens gleich um drei Stufen. Jetzt steht das Euro-Land nur noch zwei Stufen über dem "Ramsch"-Status. Auch Standard & Poor's und Fitch halten Slowenien nur noch für einen zweifelhaften Schuldner. Die Folge: Inzwischen muss das Land über sieben Prozent Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen berappen.
In der vergangenen Woche folgten die Abwertung der staatlichen "Telekom Slovenije", der öffentlichen Versicherung "Triglav" und des Rückversicherers "Pozavarovanlnica Sava". Die einst solide Slowenien AG, in der ausländische Investoren weitgehend ausgeschlossen wurden und der Staat in allen wichtigen Unternehmen und Fonds meist das Sagen hat, wankt.
Wissenswertes über Slowenien
Das kleine Slowenien hat vier Nachbarn: Österreich, Italien, Ungarn und Kroatien. Trotz seiner relativ kleinen Staatsfläche von gut 20.000 Quadratkilometern ist es sehr vielseitig. Im Norden ist die Landschaft alpin, hier befindet sich auch der höchste Berg: der 2864 Meter hohe Triglav. Im äußersten Südwesten des Landes liegt die nur 46,6 Kilometer lange Adria-Küste.
Seit seiner Unabhängigkeit 1991 hat das Land schon sieben Premierminister verschleißt. Das ergibt eine durchschnittliche Amtszeit von 2,6 Jahren.
In Slowenien lebt eine der größten Populationen des Braunbären in Europa. Es soll zwischen 500 und 700 Exemplare geben.
Der Kampf für die Unabhängigkeit Sloweniens 1991, auch bekannt als 10-Tage-Krieg, war der erste Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotz der kurzen Dauer gab es 76 Opfer zu beklagen.
Die zumindest 45.000 Jahre alte und in Slowenien gefundene Neandertaler-Flöte ist eines der ältesten Musikinstrumente der Welt.
Der Speisessaal des Kohlebergwerks in Velenje, 160 Meter unter der Erdoberfläche, ist der am tiefsten gelegene Speisesaal in Europa. Der Raum ist ungefähr 15 Meter lang, dort gibt es zwölf Tische, an denen 48 Menschen essen können.
In Slowenien befindet sich der höchste Industrieschornstein Europas. Der Schornstein des Wärmekraftwerks in Trbovlje ist 362 Meter hoch. Mit der ungewöhnlichen Höhe wollte man die Luftverschmutzung in niedrigeren Luftschichten verhindern.
Der Slowene Davo Karničar ist als Erster vom höchsten Gipfel der Erde, dem Mount Everest, mit Skier hinab gefahren. Karničar war auch der erste Mensch der Welt, der alle höchsten Gipfel auf sieben Kontinenten mit Skiern bezwang.
In Maribor, der zweitgrößten Stadt Sloweniens, wächst der älteste Weinstock der Welt. Obwohl die „Alte Rebe“ über 400 Jahre alt ist, werden aus ihren Trauben alljährlich noch immer 25 Liter Wein der autochthonen Weinsorte Žametovka („Blauer Kölner“) hergestellt.
Die Banken sind nicht alleine schuld
Wie in Spanien sind es auch in dem kleinen Adrialand mit zwei Millionen Einwohnern in erster Linie die Banken, die mit ihrer Schieflage das ganze System gefährden. Rund 18 Prozent aller Bankkredite sollen vom Ausfall bedroht sein. Im eingebrochenen Bausektor sind es sogar 50 Prozent. Moody's schätzt, dass das marode Bankensystem, wo auch der Staat den Ton angibt, bis zu drei Milliarden Euro Sanierungskosten benötigt. Der slowenische Wirtschaftsprofessor Joze Damijan bezifferte den Bedarf an frischem Geld zur Aufstockung des Kapitals und zur Ablösung fauler Kredite auf bis zu acht Milliarden Euro.
Doch wer alleine den Banken die Schuld für Sloweniens missliche Lage zuweisen will, liegt falsch. Denn für Landeskenner war schon vor dem Ausbruch der Banken-Krise klar: Sloweniens Höhenflug wird nicht mehr lange andauern. "Es war absehbar, dass die Wirtschaft des Landes nicht weiter um jährlich vier oder fünf Prozent wachsen würde. Dafür ist zu vieles falsch gelaufen", sagt Gertrud Rantzen, Geschäftsführerin der deutsch-slowenischen Industrie- und Handelskammer in Ljubljana. "Mit dem EU-Beitritt und der Aussicht auf die schnelle Einführung des Euro stieg das Wachstum rasant. Gleichzeitig stiegen aber auch die Begehrlichkeiten: Die Löhne wurden drastisch erhöht, Reformen verschleppt und Investitionen getätigt – auch jene, die nicht nachhaltig waren."
Geplatzte Immobilienblase
Ein Blick in die Dokumente des slowenischen Statistikbüros verdeutlicht die Problematik. So sind die Lohnnebenkosten seit der Euro-Einführung 2007 bis heute um 18 Prozent gestiegen. Eine Arbeitsstunde kostet nun im Durchschnitt 14,40 Euro. Das ist zwar noch deutlich unter dem Schnitt der Länder der Europäischen Union (23,10 Euro). Gleichzeitig kostet die Arbeitsstunde in Slowenien aber mehr als im Nachbarland Slowakei (8,40 Euro), in Polen (7,10 Euro) oder in Estland (8,10 Euro).
Zum Problem werden die hohen Kosten erst dann, wenn die Produktivität nicht im gleichen Maße steigt. Genau das aber ist in Slowenien passiert. "Hier wurden in der Vergangenheit viele Managementfehler begangen", sagt Rantzen. "Gut laufende Unternehmen haben sich andere Spielfelder gesucht und viel Geld in Immobilen gepumpt oder sich bei Banken und in der Bauwirtschaft eingekauft, anstatt in neue Maschinen und Anlagen zu investieren. Andernorts wurde der Gewinn komplett aus den Unternehmen gezogen." Während die Kosten explodierten, stagnierte die Leistungsfähigkeit. Heute sind viele Unternehmen überschuldet. Die Zahl der Unternehmenspleiten ist im zweiten Quartal um 24 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegen.
Die 10 Gebote für die Euro-Zone
Kein Staat darf sein Defizit über drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigen lassen. Tut er es doch, wird automatisch eine Geldstrafe gegen ihn verhängt.
Der EU-Finanzministerrat darf Strafverfahren gegen Haushaltssünder nur noch in absoluten Ausnahmefällen stoppen - und dann nur mit Zweidrittelmehrheit. Das wird im neuen EU-Vertrag von Lissabon festgeschrieben.
Jeder Euro-Staat muss eine Schuldenbremse in seiner Verfassung verankern. Der europäische Pump-Kapitalismus gehört der Vergangenheit an.
Euro-Länder, die die Schuldenbremse nicht vorschriftsgemäß in ihrer Verfassung verankert haben, können vor dem europäischen Gerichtshof verklagt werden. Damit bekommt Europa in Finanzfragen Vorrang vor den Nationalstaaten.
Der griechische Schuldenschnitt bleibt ein einmaliger Sündenfall, der sich nicht wiederholen darf. Rechtsicherheit für Investoren wird im Gründungsvertrag des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM festgeschrieben.
Die Euro-Zone bekommt eine echte Wirtschaftsregierung: Die Regierungschefs der Mitgliedstaaten treffen sich jeden Monat zu einem Gipfel, um ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren und das Wachstum gemeinsam anzukurbeln.
Die Europäische Zentralbank ist und bleibt unabhängig. Sie entscheidet selbst, ob und wie viele Staatsanleihen sie ankauft. Die Regierungen der Euro-Zone äußern sich dazu nicht.
Euro-Bonds sind nicht geeignet, die Schuldenkrise zu lösen. Sie werden vorläufig nicht eingeführt. Jeder Euro-Staat haftet weiter individuell für seine Schulden.
Deutschland und Frankreich übernehmen als größte Volkswirtschaften de facto die politische Führung in der Euro-Zone. Das steht so nirgends, wird aber von fast allen akzeptiert.
Die Euro-Zone marschiert voran in Richtung Fiskalunion und lässt dabei notfalls die zehn Nicht-Euro-Länder hinter sich. Wenn EU-Vertragsänderungen nicht mit allen 27 Staaten machbar sind, werden sie eben von den 17 Euro-Ländern allein beschlossen.
Die Beamten und Angestellten hingegen nahmen die Lohnerhöhungen dankbar an und investierten vielerorts in ein Eigenheim. Solides Eigenkapital war selten vorhanden, doch an ein Ende des Booms dachte keiner. Auch die Banken nicht. Durch die Einführung des Euro konnte sich Slowenien und dessen Bankensektor günstig Geld beschaffen. Dieses Geld wurde bereitwillig weitergereicht, auch an zweifelhafte Schuldner. "Hinzu kommt ein slowenischer Sonderfall: Hier herrscht das Bauherrenmodell", sagt Gertrud Rantzen. "Baufirmen kaufen Grundstücke auf und ziehen ganze Kolonien hoch – obwohl vorauszusehen war, dass die Nachfrage irgendwann nachlässt." Eine Immobilienblase bildete sich, ähnlich wie in den USA und in Spanien.
Der Ernst der Lage wird verkannt
Inzwischen ist der Traum von den eigenen vier Wänden bei vielen Slowenen geplatzt. Die Banken sitzen auf faulen Krediten, die Bauwirtschaft ist nahezu vollständig kollabiert. Auch die Möbelindustrie ist schwer angeschlagen. Wer kein Haus kauft, braucht schließlich auch keine neue Einrichtung.
Doch Staat und Bürger haben die Alarmzeichen viel zu spät erkannt. "Slowenen sind grundsätzlich immer optimistisch. Man geht hier gelassener mit Krisen um als etwa in Deutschland", weiß Gertrud Rantzen. Keine Frage: Es ist eine positive Eigenschaft, das Glas halbvoll, statt halbleer zu sehen. Zumal die Slowenen durchaus Kraft aus ihrer Vergangenheit ziehen können. "Nach der Unabhängigkeit des Landes sind große Märkte in Osteuropa weggebrochen. Slowenien rutschte in eine große Krise, aus der man sich aus eigener Kraft herausgezogen hat", berichtet die Geschäftsführerin der deutsch-slowenischen Handelskammer. Zum Problem wird diese lobenswerte Charaktereigenschaft nur, wenn sie den Blick auf die Realität trübt. Genau davon berichtet Rantzen: "Die jungen Menschen sind es gewohnt, dass es immer nur aufwärts geht. Vielen von denen haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt, sie sind noch nicht ganz in der Realität angekommen."
Ohne Rettungsschirm geht’s nicht
Ähnliches gilt für den Staat. Slowenien hat sich auf seinen Ruf als Euro-Musterschüler ausgeruht. Schaut man nur auf die nackten Zahlen, steht das Land noch ordentlich da. Die Staatsschulden sollen Ende 2012 bei 54,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen und damit unter dem Maastricht-Richtwert von 60 Prozent. Das schaffen neben Slowenien nur vier weitere Euro-Länder. Allerdings: 2010 betrugen die Staatsschulden gerade einmal 38,8 Prozent des BIP. Alleine 2011 nahm Slowenien neue Schulden in Höhe von knapp 17 Milliarden Euro auf, mehr als doppelt so viel als noch 2008. "Die Schnelligkeit mit der die Schulden wachsen, machen uns Sorgen", sagt Rantzen. "Ein Ende dieses Trends ist in den kommenden Monaten nicht in Sicht."
Müsste Slowenien die Banken aus eigener Kraft rekapitalisieren, würde das slowenische Budgetdefizit auf 20 bis 28 Prozent des BIP emporschießen, rechnet Ökonom Damijan vor. "Momentan kann es Slowenien nicht aus eigener Kraft schaffen, die Banken zu stabilisieren", so Rantzen. "Ich würde mal vorsichtig schätzen, dass man im Herbst die europäischen Partner um Unterstützung bittet."
Ähnlich wie Spanien dürfte Slowenien nicht komplett unter den Rettungsschirm schlüpfen, sondern lediglich Hilfe bei der Bankenrettung beantragen. So umgeht das Land den strengen Blick der Troika und kann unpopuläre Reformen links liegen lassen. Dabei wäre es für das Land so wichtig, endlich verkrustete Strukturen in den Amtsstuben zu beseitigen und den Arbeitsmarkt sowie das Rentensystem zu modernisieren.
So könnte das Banken-Rettungspaket aussehen
Ein Rettungspaket für Slowenien könnte sich an den Hilfen für die maroden Banken Spaniens orientieren. Dort wird der Kredit im Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro durch den spanischen staatlichen Bankenrettungsfonds FROB geleitet. Die Banken, die Gelder benötigen, können darauf zurückgreifen. Bei der Summe ist eine „Sicherheitsspanne“ mit einkalkuliert. Slowenien braucht nur maximal ein Zehntel der Summe.
Auch Slowenien könnte einen Bankenrettungsfonds ins Leben rufen, der die volle Verantwortung für die Finanzhilfe behält und die Vereinbarung unterzeichnet. Beim spanischen Pendant heißt es: Die Bedingungen sollen sich „auf spezifische Reformen im Finanzsektor konzentrieren”.
Die Fortschritte, die die Hilfsempfänger wie Spanien bei strukturellen Reformen und dem Defizitabbau machen, sollen „parallel zur Finanzhilfe eng und regelmäßig überwacht” werden.
Damit Slowenien Hilfe bekommen kann, muss das Land - wie Spanien - einen offiziellen Rettungsantrag stellen. Dem müssen die Euro-Partner zustimmen. Offen ist, ob die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder der permanente Rettungsschirm Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) den Kredit zur Verfügung stellen wird. Die Kredite des ESM sind gegenüber anderen Verbindlichkeiten vorrangig eingestuft.
Für Spanien soll der Zinssatz für den Kredit bei drei Prozent liegen, berichtet die Zeitung "El Pais". Mit einem ähnlichen Zinssatz müsste auch Slowenien rechnen.
Starrer Arbeitsmarkt, unfähige Behörden
"Slowenien muss eine ganze Reihe von Strukturreformen anschieben. Eines der wichtigsten Projekte ist die Reform des Arbeitsmarktes", sagt Gertrud Rantzen. "Hier gibt es noch immer einen rigiden Rahmen, der jede Form von Flexibilität zunichtemacht. Der Kündigungsschutz muss gelockert werden und Arbeitszeiten müssen – gerade in der Krise – flexibler gestaltet werden. Hier muss dringend etwas passieren, damit der Anschluss nicht komplett verloren geht." Dass Slowenien in der Krise steckt, daran gibt es keine Zweifel. Die Wirtschaft steckt seit dem vergangenen Jahr in der Rezession und schrumpft 2012 voraussichtlich um 1,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12,4 Prozent. Doch passiert ist bislang nichts.
Gleiches gilt beim Abbau der Bürokratie. In den Behörden werden noch immer viele Positionen politisch besetzt. Leistungen und Qualifikation sind oftmals zweitrangig. Viele Amtsvorgänge bleiben nicht nachvollziehbar und intransparent. Die Erteilung einer Baugenehmigung kann zuweilen Monate dauern. "Das schreckt nicht nur potenzielle Investoren ab, sondern blockiert auch die Unternehmen, die schon vor Ort tätig sind", sagt Rantzen.
Mit 58 Jahren in Rente
Das dritte Feld, auf dem dringend Reformen nötig sind, ist das Rentensystem. Slowenien erlaubt es sich, seine Bürger schon mit 58 Jahren in den Ruhestand zu schicken, viele gehen bereits mit 57 Jahren. Kein anderes Industrieland hat ein derart geringes, offizielles Renteneintrittsalter. Mehrere Regierungen versuchten schon eine schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf bis zu 65 Jahre. Doch bisher sind noch alle Reformversuche – und gleichzeitig ganze Regierungen – an dem Widerstand der "Demokratischen Rentnerpartei Sloweniens" (DeSUS) gescheitert. "Sie ist sehr populär und die einzige Konstante im politischen System. Die Rentnerpartei ist seit Jahren an allen Regierungskoalitionen beteiligt", berichtet Rantzen. "Und sie bedient ihr Klientel."
Wer in Europa wann in Rente geht
Der neue französische Präsident François Hollande hat die Rentenreform seines Vorgängers aufgeweicht. Personen mit langer Erwerbsbiografie können künftig wieder mit 60 Jahren in Rente gehen. Für alle anderen Arbeitnehmer gilt das bei der Rentenreform 2010 festgelegte Renteneintrittsalter von 62 Jahren. Das offizielle Einstiegsalter liegt bisher bei 61,5 Jahren – faktisch mit durchschnittlich 58,8 Jahren aber deutlich früher. Sechs von zehn Franzosen sind ohne Arbeit, wenn sie die Rente beantragen. Die Zeit bis zur Auszahlung der ersten Pension, die im Schnitt bei 1400 Euro pro Monat liegt, wird oft mit Arbeitslosengeld überbrückt. Frankreich gibt 280 Milliarden Euro pro Jahr für Renten aus, etwa ein Viertel der Staatsausgaben. Das Rentensystem habe ein Loch von 32 Milliarden Euro.
Bis zum Ende der Dekade soll das Rentenalter auf 66 und später auf 67 Jahre erhöht werden. Mehr als 800.000 Menschen werden 2012 die Altersgrenze von 65 erreichen, aber nur eine Rente von wöchentlich 102,25 Pfund (148 Euro) beziehen. Das kostet rund 129 Milliarden Pfund – oder 18 Prozent des Staatshaushalts. Die Staatsrente soll in absehbarer Zeit in eine Bürgerrente von rund 140 Pfund pro Woche verwandelt werden – nur eine homöopathische Aufbesserung. Deshalb dürfen britische Rentner weiter arbeiten und verdienen, so viel sie wollen, um die magere Rente aufzubessern.
In Griechenland beträgt das Renteneintrittsalter rein statistisch mittlerweile 65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen. Das Renteneintrittsalter der Männer liegt damit im Moment etwas niedriger als in Deutschland, das der Frauen deutlich niedriger. Tatsächlich aber verlassen die Männer in Griechenland mit durchschnittlich 61,9 Jahren den Arbeitsmarkt, die Frauen im Durchschnitt mit 59,6 Jahren.
Aktuell arbeitet die Regierung an einem neuen Sparpaket. Ein Punkt: Das Rentenalter soll von 65 auf 67 Jahre stufenweise angehoben werden. Die Sozialisten sollen aber nur für eine Erhöhung auf 66 Jahre sein. Zudem sollen Renten bei 2200 Euro gedeckelt werden. Die kleine Rente, die Bauern erhalten, soll von 360 Euro auf 330 Euro gekürzt werden, weil die Landwirtschaftsversicherungskasse (OGA) schwer defizitär ist. Auch andere Renten sollen, soweit sie 1000 Euro übersteigen, um 5 bis 15 Prozent gekürzt werden.
In frühern Zeiten war die Rente in Italien die wichtigste soziale Absicherung: Wer über 35 Jahre hinweg Beiträge bezahlt, bzw. gearbeitet hatte, konnte bereit ab 58 Jahren Rente beziehen. Italienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. Das ist Weltspitze.
Das Rentenalter wird nun drastisch angehoben. Spätestens im Jahr 2018 sollen Männer wie Frauen bis 66 Jahren arbeiten, um Rente zu kriegen. Für die Jahre 2012 und 2013 wird für die meisten Renten der Inflationsausgleich gestrichen. Die neue Regelung erhöht auch die Anzahl an Beitragsjahren: Künftig muss man mindestens 42 Jahre lang einbezahlt haben, um sich für die volle Rente zu qualifizieren.
Die Portugiesen arbeiten im Durchschnitt länger als sie müssten. Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt hier bei 65 Jahren – für Männer und Frauen. Tatsächlich aber verlassen die Menschen in Portugal den Arbeitsmarkt viel später als die Deutschen: Männer mit 67 Jahren und Frauen mit 63,6 Jahren. Das Land hat zudem bereits massive Rentenreformen hinter sich.
Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt bei 65 Jahren für Männer und bei 60 Jahren für Frauen. Tatsächlich ziehen sich Österreicher aber mit durchschnittlich 58 Jahren aus dem Beruf zurück. Die Bahner der staatlichen ÖBB verlassen Lokomotive und Büro sogar mit durchschnittlich 53 Jahren. Die Regierung spricht regelmäßig davon, dass die Österreicher später in Rente gehen sollen. Nach Angaben des Wiener Finanzministeriums ließe sich jährlich eine Milliarde Euro sparen, wenn das Renteneintrittsalter um ein Jahr steigt.
Seit 2012 an steigt das gesetzliche Renteneintrittsalter für die abschlagfreie Rente schrittweise auf 67 Jahre. Die Umstellung beginnt mit dem Geburtsjahrgang 1947, der bis zur vollen Rente einen Monat länger arbeiten soll. Der Geburtsjahrgang 1964 ist dann der erste Jahrgang, für den das neue Rentenalter 67 gilt. Die 2012 beginnende Anhebung vollzieht sich bis 2023 (Geburtsjahrgang 1958) in Monatsschritten, danach bis 2029 in Zwei-Monatsschritten.
Ausnahmen: Wer 45 Jahre Beiträge bezahlt hat, soll mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Bei den Beitragszeiten zählt Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes mit. Allerdings kommt derzeit nur der kleinere Teil der Beschäftigten auf 45 Beitragsjahre: Bei den Männern waren es zuletzt 28 Prozent, bei den Frauen knapp vier Prozent.
Die Isländer arbeiten im Durchschnitt deutlich länger als jede andere europäische Nation. Das Renteneintrittsalter liegt für Männer und Frauen bei 67 Jahren. Doch die Männer arbeiten im Durchschnitt freiwillig noch deutlich länger - im Schnitt bis sie knapp 70 Jahre alt sind (69,7 Jahre). Isländerinnen gehen im Durchschnitt mit 65,4 Jahren in den wohl verdienten Ruhestand. Im OECD-Vergleich arbeiten nur die Koreaner (70,3 Jahre) und Mexikaner länger (72,2 Jahre).
Auch an der derzeitigen Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Janez Janša, die aus fünf Parteien besteht, ist die "DeSUS" beteiligt. Dennoch hofft die Geschäftsführerin der deutsch-slowenischen Handelskammer, dass Reformen auf den Weg gebracht werden. "Janez Janša ist ein Politiker, der die Fäden in der Hand hält und pragmatisch genug ist, um zu wissen, dass das Land Reformen braucht."
Zweifel sind allerdings angebracht. Nicht nur, weil die Rentnerpartei mit im Boot. Janša selbst war bereits von 2004 bis 2008 der starke Mann in Ljubljana. Damals erlebte das Land eine Boom-Zeit. Es wäre einfach gewesen für den Ministerpräsidenten, Reformen durchzusetzen. Doch nichts ist passiert. "Er hat die Möglichkeit verstreichen lassen", sagt auch Rantzen, die aber auf einen Lernprozess hofft und erklärt: "Janša muss jetzt liefern, sonst hat diese Regierung keine Überlebenschance."
Wichtige Impulse dank Deutschland
Reformunwillige Politiker, marode Banken und ein starrer Renten- und Arbeitsmarkt: Kann Slowenien auf bessere Zeiten hoffen? Ja – unter Umständen. Positiv ist, dass die jungen Leute in Slowenien sehr gut ausgebildet sind. Zwar stehen bei den Schülern und Studenten Jobs in der Finanzwelt höher im Kurs als in der Industrie, doch die Krise könnte auch die Stimmung im Land – und damit die Berufswünsche der Jugend – verändern.
Weitere Pluspunkte: Slowenien ist traditionell ein Industrieland. Das Land ist sehr gut aufgestellt in der Automobilbranche – und profitiert von den engen Verflechtungen mit Deutschland. Die Bundesrepublik ist im Allgemeinen der wichtigste Handelspartner Sloweniens und ein großer Investor. "Wir gehen von etwas über 300 deutschen Unternehmen in Slowenien aus", sagt Gertrud Rantzen.
Deutsche Marken sind sehr stark in der Automobilbranche vertreten und im Handel. Bosch und Siemens Haushaltgeräte haben ein eigenes Werk in Slowenien, das den weltweiten Markt beliefert, zudem haben alle großen deutschen Baumarktketten Filialen in Slowenien, aber auch die Drogeriemärkte "dm" und "Müller" sowie die Modeketten "New Yorker", "C&A", "Peek & Cloppenburg".
Können Privatisierungen Slowenien retten?
Es könnten bald noch deutlich mehr sein. Viele slowenische Unternehmen sind auf der Suche nach ausländischen Investoren und bereit, Firmenanteile abzutreten. Auch der Staat muss sich in nächster Zeit von Unternehmensanteilen trennen. "Hier winken deutschen Investoren lukrative Angebote", so Gertrud Rantzen.
Für Teilprivatisierungen stehen unter anderem die Fluglinie "Adria Airways" - bis Anfang September läuft eine erste Ausschreibungsrunge für einen Anteil von 75 Prozent an der Fluglinie - und die "Telekom Slovenije" ganz oben auf der Liste. Bereits 2008 weckte letzgenantes Unternehmen das Interesse der "Deutschen Telekom", die über ihre ungarische Tochter "Magyar Telekom" in Slowenien einsteigen wollte. Doch der Deal platzte.
Die größten Unternehmen Sloweniens
Petrol ist ein Mineralölkonzern, das über keine eigenen Produktionskapazitäten verfügt (Förderung, Raffinerie) sondern ausschließlich handelt. Dennoch ist es das umsatzstärkste Unternehmen Sloweniens. Dank seiner Marktführerschaft im Großhandel als auch im Tankstellengeschäft erwirtschaftete Petrol zuletzt einen Umsatz von 2,86 Milliarden Euro.
Die börsennotierte Handelskette musste 2011 einen Gewinnrückgang hinnehmen. Die Einnahmen brachen um 22,5 Prozent auf 23,5 Millionen Euro ein. Gleichzeitig stieg der Umsatz um 5,3 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Für Mercator, das Filialen in Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Bulgarien und Albanien unterhält, arbeiten fast 24.3000 Menschen, davon 9.959 in Slowenien.
Der staatliche Energiekonzern HSE (Holding Slovenske elektrarne) wurde erst im Juli 2001 gegründet. HSE erwirtschaftete 2011 mit 1,36 Milliarden Euro den drittgrößten Umsatz aller slowenischen Unternehmen. Das Unternehmen ist unter anderem auch in Bulgarien und Ungarn aktiv.
In Slowenien arbeiten viele Automobil-Zulieferer. Es gibt aber nur ein slowenisches Unternehmen, das Auto herstellt: Revoz. Die Aktiengesellschaft mit rund 2600 Mitarbeitern befindet sich zu 100 Prozent im Besitz von Renault. In der Stadt Novo mesto werden unter anderem der Renault Twingo II und der Renault Wind gebaut. Revoz machte 2011 einen Umsatz von 1,13 Milliarden Euro.
Das weltweit agierende Pharmakonzern wurde 1954 gegründet und nach dem slowenischen Fluss Krka benannt. 2010 beschäftigte die Aktiengesellschaft über 8000 Mitarbeiter und macht einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Es ist damit das fünfgrößte slowenische Unternehmen, liegt aber mit einem Nettogewinn von 150,4 Millionen Euro (2011) in der Gewinn-Rangliste auf Rang eins.
In der Privatwirtschaft sind die Chemieunternehmen "Helios" und "Cinkarna Celje" auf Partnersuche, berichtet "Germany Trade & Invest", eine Bundes-GmbH, deren Aufgabe das Marketing für den Standort Deutschland ist. Der Reifenhersteller "Goodyear Dunlop Sava Tires" wolle sich zudem von seiner Tochter "Savatech" trennen. Sie ist auf die Entwicklung und Herstellung von Kautschukmischungen, leichten Reifen (für einspurige Fahrzeuge und industrielle Zwecke), Fördergurten sowie unter anderem von elastischen Kopplungen für die Autoindustrie ausgerichtet.
Slowenien braucht das Geld aus den Privatisierungen, um die Wirtschaft in Gang zu bekommen und wichtige Investitionsprojekte, die zum Teil schon vor der Krise angestoßen wurden, zu verwirklichen. Dazu gehören Kraftwerksbauten, aber auch die Erneuerung von Autobahnen und Bahnstrecken. Wichtigstes Projekt ist die Verbindung der Hauptstadt Ljubljana mit dem Hafen von Koper. "Der ist auf dem neuesten Stand und expandiert weiter. Der Hafen ist sehr interessant für Unternehmen aus Bayern und Baden-Württemberg", erklärt Rantzen. "Er hat aber ein Problem: die Bahnstrecke Richtung Ljubljana. Sie ist teilweise nur eingleisig."
Alle müssen an einen Strang ziehen
Alles in allem hat Slowenien das Potenzial, langfristig wieder auf Wachstumskurs zurückzukehren. Dafür braucht es neben der Hilfe der Euro-Partner bei der Stabilisierung der Banken aber auch ein Umdenken in Politik und Gesellschaft. Reformen müssen angepackt, Gier und Vetternwirtschaft zurückgedrängt werden.
"Das Land muss jetzt eine richtige Rosskur machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Slowenien auch 2013 nicht aus der Krise kommen wird", bilanziert Gertrud Rantzen. "Aber ab 2014 kann es wieder aufwärts gehen – wenn Politik und Wirtschaft sowie die Sozialpartner an einen Strang ziehen."