„Wir haben in den vergangenen 13 Jahren Preisstabilität geliefert – und zwar tadellos!“, schleuderte Jean-Claude Trichet, der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), im September seinen Kritikern zum Abschied entgegen. Selbst die Leistung der Bundesbank habe die EZB übertroffen. Und tatsächlich: Deutschland verzeichnete seit dem Euro-Beitritt eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,55 Prozent.
Zu D-Mark-Zeiten, in den Siebziger- und Achtzigerjahren, waren es immerhin knapp vier Prozent. Noch mehr profitierten andere Mitgliedsländer, allen voran die Griechen: Zwischen 1979 und 1988 lag die durchschnittliche Inflationsrate dort bei abenteuerlichen 20 Prozent. Von 1999 bis 2008 fiel sie auf 3,2 Prozent, und aktuell sind die Hellenen bei 1,5 Prozent angekommen. Auch in Portugal, Italien und Frankreich gingen die Teuerungsraten dramatisch zurück. Aktuell liegt die Inflationsrate in der Währungsunion bei 2,6 Prozent.
Doch liegt das allein am Euro? Misstrauen dürfte schon die Tatsache erwecken, dass die Inflationsrate auch im Euro-losen Schweden von acht Prozent (1979 bis 1988) auf 1,2 Prozent (1999 bis 2008) fiel. „Der Euro hat Preisstabilität gebracht, doch man kann die Situation der vergangenen zehn Jahre nicht mit den vorangegangenen Jahrzehnten vergleichen“, sagt ein ehemaliger hochrangiger Notenbanker.
Die EZB
Damals kämpften die Industrieländer mit zwei Ölpreiskrisen. Mit hohen Lohnabschlüssen setzten die Gewerkschaften eine Lohn-Preis-Spirale in Gang, gegen die die Bundesbank ankämpfen musste. Dagegen hatte die EZB bisher leichtes Spiel – dank der Globalisierung. Durch den weltweiten Wettbewerb fiel es Unternehmen schwerer, höhere Preise durchzusetzen.
Auch steigendes Vertrauen in die Unabhängigkeit der Zentralbank stabilisierte zunächst die Preise. Die EZB wurde nach dem Vorbild der Bundesbank gegründet und galt damit als deutlich prinzipientreuer als etwa die Banca d’Italia. „Doch die EZB ist dabei, dieses Vertrauen zu verspielen“, warnt der hohe Ex-Notenbanker. Das liegt vor allem an den Käufen von Schrottanleihen pleitebedrohter Euro-Staaten, die zuletzt mit 212 Milliarden Euro die Bilanzen des Euro-Systems aufblähten. Die EZB hat damit gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoßen und ihre Reputation beschädigt.
Gefahr durch niedrige Leitzinsen
Das gilt auch für die Inflationsbekämpfung: Seit der Lehman-Pleite 2008 vergibt die EZB unbegrenzt Kredite an Banken. Die monetäre Basis – die Summe aus Bargeld und Einlagen der Banken bei der EZB – verdoppelte sich. Dass die Inflation bisher niedrig blieb (obgleich seit vielen Monaten über der EZB-Zielmarke von knapp zwei Prozent), liegt nur daran, dass das Geld bisher nicht in der Realwirtschaft angekommen ist.
Zusätzliche Gefahr geht von den niedrigen Leitzinsen aus. Der aktuelle Wert von 1,0 Prozent ist laut Einschätzung von Volkswirten viel zu niedrig für Deutschland. Analysten erwarten, dass die EZB aus Rücksicht auf die Peripherieländer den Zins bald weiter drückt. Das Inflationstor ist damit weit offen.
Fazit: These stimmt nur zum Teil