Wahlen 2017 Europa droht ein düsteres Jahr

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Und was heißt das für Europa?

Stellt man diese Frage in der europäischen Hauptstadt, dann ist die Sache klar: In Brüssel gehen die Entscheider davon aus, dass der Wahlmarathon 2017 die Handlungsfähigkeit der EU stark beeinträchtigen wird. „Uns steht mindestens ein Dreivierteljahr Stillstand bevor“, fürchtet ein hoher EU-Beamter.

Zumal in Brüssel erwartet wird, dass auch in Spanien 2017 ein Urnengang ansteht, weil die Minderheitsregierung von Mariano Rajoy wohl nicht halten wird. Wahlen in vier, wahrscheinlich gar fünf der größten Länder der Euro- Zone, das hat es noch nie gegeben.

Obwohl Europa vor drängenden Problemen steht, droht nahezu alles liegen zu bleiben. Beim letzten EU-Gipfel des Jahres 2016 haben die Staats- und Regierungschefs immerhin versprochen, in der ersten Hälfte 2017 die Verteilung von Flüchtlingen zu klären. Kaum war die Frist vereinbart, grummelte auch schon Neu-Premier Gentilioni, weil die heiße Phase der Verhandlungen genau in den italienischen Wahlkampf fiele. Ob sich da ein Durchbruch erzielen ließe?

Auch in der Griechenland-Rettung wird erst wenig vorangehen. Eigentlich soll sich der Internationale Währungsfonds (IWF) am dritten Hilfsprogramm beteiligen, doch der will erst an Bord kommen, wenn klar ist, wie die griechische Schuld wieder tragfähig wird. Allerdings werden weder die niederländische noch die deutsche Regierung vor den Wahlen einen Schuldenschnitt zulassen. Das Eingeständnis, dass die Griechenland-Rettung den Wähler Geld gekostet hat, wäre politischer Selbstmord.

Im März will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Pläne zur Zukunft der EU vorstellen, rechtzeitig zum 60. Geburtstag der Römischen Verträge. Doch bereits jetzt ist absehbar, dass dieser Kuchen unangetastet im Gefrierschrank verschwinden wird. Keiner der wahlkämpfenden Regierungschefs wird sich mit der Vertiefung der Währungsunion befassen wollen.

Ein verlorenes Jahr kündigt sich also an, selbst ohne zu wissen, wie umstürzend die einzelnen Urnengänge ausfallen werden. „Gewinnt Marine Le Pen die Wahl, dann trage ich schwarz“, hat Juncker schon angekündigt. Ein extremer Rechtsruck in Frankreich wäre aus europäischer Sicht tatsächlich kein Betriebsunfall mehr, sondern ein GAU. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass das europäische Projekt einen Triumph von Le Pen kaum überleben würde.

„Niemals habe ich nationale Regierungen so geschwächt gesehen von populistischen Kräften und paralysiert vom Risiko der Niederlage“, warnte Juncker bereits im September. Eine unschöne Prophezeiung.

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