Wahlen in den Niederlanden Geert Wilders regiert die politische Debatte

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Wilders regiert in jedem Fall mit

Dazu kommt: Wilders‘ Erfolg zehrt von der plebejischen Attitüde des heroischen Rebellen. Er hat selbst gesagt, dass der Kampf gegen den Islam sein eigentlicher Antrieb ist. Er will „bis zum Tod“ gegen diese Religion kämpfen. Das ist angesichts der zahlreichen Morddrohungen und des dauernden Personenschutzes, unter dem er leben muss, durchaus glaubwürdig. Aber dieses laute „Dagegen“ verträgt sich eben nicht mit der Übernahme von Regierungsverantwortung in einem Einwanderungsland mit über sechs Prozent muslimischen Einwohnern.

Wilders selbst rief seinen Anhängern zu: „Geht nicht vom Machbaren aus, sondern vom Denkbaren.“  In Regierungsverantwortung müsste er sich aber mit dem Machbaren begnügen. Das würde ihn in arge Probleme bringen, glaubt auch der Soziologe Koen Damhuis, der in seinem Buch „Wegen naar Wilders“ die Ansichten von Wilders‘ Anhängern untersucht.

von Karin Finkenzeller, Max Haerder, Sven Prange, Silke Wettach

Das Zusammenrücken der etablierten Parteien und einstigen Kontrahenten von Mitte-Links und Mitte-Rechts ist auch in anderen westlichen Demokratien, nicht zuletzt in Deutschland und Frankreich deutlich zu erkennen. In Deutschland regiert eine große Koalition, in Frankreich drängt mit Emanuel Macron ein Mann ins Präsidentenamt, der die schwächelnden beiden alten Lager beerben will. In den Niederlanden wird dieses Bündnis der Etablierten auf Grund der Zersplitterung durch das Verhältniswahlrecht besonders breit werden müssen. Möglicherweise muss Rutte mit bis zu vier anderen Parteien eine Koalition schmieden. Dass eine solche Anti-Wilders-Koalition nicht besonders überzeugend und stabil sein dürfte, liegt auf der Hand.

Eine schwache Anti-PVV-Koalition wird nicht nur, falls die PVV tatsächlich stärkste Partei werden sollte, mit der demokratischen Tradition brechen, dass die stärkste Fraktion üblicherweise den Regierungsauftrag erhält. Ein Mehrparteienbündnis, dem als einzig ernsthafte Opposition eine radikale Anti-EU-Partei mit einem charismatischen Rhetoriker an der Spitze gegenübersteht, wird fast notgedrungen eine deutlich weniger EU-integrationsfreundliche Politik als frühere niederländische Regierungen betreiben müssen, um dieser Opposition nicht weitere Angriffsfläche zu verschaffen.

Die Niederlande waren als Gründungsland bisher stets ein stabilisierender, ausgleichender Ruhepol bei Divergenzen innerhalb der EU. Als atlantisch gesinntes Exportland traten Haager Regierungen bislang stets für den Freihandel ein. Diese Funktionen auszuüben dürfte auch ohne Wilders auf der Regierungsbank immer schwerer fallen. Denn der regiert, das zeigt sich schon im Wahlkampf, aus der Opposition heraus längst mit.   

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