Walter Krämer "Die Euro-Krankheit bricht bald umso heftiger aus"

Walter Krämer redet Klartext. Der Ökonom und Statistiker sieht EZB-Chef Draghi als Interessenvertreter der Großbanken, hält nichts vom Deflationsgerede und hat als FDP-Mitglied die AfD gewählt.

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Walter Krämer Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Krämer, Sie sind einer der entschiedensten Kritiker der Euro-Rettungspolitik. Der jüngste Zinsentscheid der EZB wird wohl kaum ihr Gefallen finden.

Krämer: Nein. Es ist doch offensichtlich, dass durch diesen Schritt vor allem Teile des Finanzsektors vor dem Untergang bewahrt werden sollen. In den USA sind seit 2008 einige Hundert Banken pleite gegangen, hier bei uns in der Eurozone nur wenige. Wir halten gegen jede ökonomische Logik marode, klinisch tote Geldinstitute über Wasser. Das ist der Hauptzweck, weswegen die EZB so billiges Geld verschleudert.

Sie glauben also nicht, dass Mario Draghi das Wohl der Krisenstaaten in Südeuropa im Sinn hat?

Langfristig schadet seine Geldpolitik doch den Krisenstaaten. Denn sie ist nur ein Schmerzmittel. Die Euro-Krankheit wird dadurch nicht geheilt. Die EZB betreibt Staatsfinanzierung durch die Hintertür und erlaubt dadurch den Regierungen in Südeuropa, weiter ihre unseriöse Finanzpolitik zu betreiben. Die betäubte Krankheit bricht später umso heftiger wieder aus.

Der Instrumentenkasten der EZB

Und der große Knall, den Sie uns schon einmal prophezeiten?

Den kann man vielleicht hinauszögern, bis selbst der dümmste Politiker und Wähler kapiert hat, was da wirklich abläuft. Ich denke bis zur nächsten Europa-Wahl in vier Jahren werden es alle verstanden haben. Wenn die Regierenden in Europa bis dahin so weiter machen, werden die eurokritischen Parteien die Mehrheit bekommen. Dann ist das Projekt am Ende.

Draghi warnt seit einiger Zeit vor den Gefahren einer Deflation. Droht die wirklich?

Mich als Statistiker regt auf, dass man Inflation und Deflation immer nur an einem sehr beschränkt gültigen Preisindex aufhängt, nämlich an dem für die Lebenshaltung. Der misst aber nur einen sehr engen Ausschnitt aller Preise, von allen Kaufentscheidungen gehen nur wenige Prozent in diesen Index ein. Die Preise von Immobilien und Kapitalgütern fehlen da zum Beispiel völlig. Und die sind enorm gestiegen.  Wir erleben hier eine Rieseninflation.

Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik

Also täte Ihrer Ansicht nach eine Deflationspolitik gut?

Die Südländer brauchen deutlich niedrigere Preise im Verhältnis zu den Nordländern. Dass die ihre Produkte sonst nicht loswerden, ist ja die eigentliche Ursache der ganzen Krise. Die Griechen müssten etwa dreißig Prozent billiger produzieren. Die Alternative ist, dass wir dreißig Prozent teurer werden. Aber da machen die deutschen Sparer nicht mit.

Die Niedrigzinspolitik soll auch das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Füttert Draghi den deutschen Aufschwung?

Die deutsche Wirtschaft wird von der Entscheidung über mehrere Kanäle betroffen. Wenn der Euro schwächer wird, was wahrscheinlich ist, werden die deutschen Exporte noch günstiger. Dabei sind sie schon viel zu billig. Das ist ja das Grundübel des Euro, er ist als Anzug für die einen zu groß, für die anderen zu klein. Er zwingt Volkwirtschaften zusammen, die nicht zusammen passen.

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