Weltwirtschaftsforum Mario Draghi verklärt die Welt

Seite 2/2

Kalte Enteignung par excellence

„Entgegen aller Sorgen hat die Europäische Zentralbank die Inflationsrate immer um die Zielmarke von zwei Prozent gehalten“, gibt Draghi dem Schweizer Banker und Fragesteller zu Protokoll. Er sehe nicht, dass das bald anders sein solle, es drohten weder Inflation noch Deflation. „Es gibt branchen- und länderübergreifend keine fallenden Preise. Wir beobachten die Situation, aber es gibt keinen Grund zu Sorge“, sagt der Italiener.

Dem könnte man getrost widersprechen. Es stimmt: Die Inflation ist niedrig, die Europäische Zentralbank hat allen Unkenrufen zum Trotz ihre Zielmarke stets eingehalten. Aber: Das ist nur der Status quo. Dass dies nach dem Gelddruckrausch der Notenbanken in Europa, Japan und den USA auch in den kommenden Jahren so sein wird, ist längst nicht gewiss. Zumal die Inflation derzeit auch durch die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa und der Wirtschaftskrise in fast allen Euro-Ländern gebremst wird.

Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik

Hinzu kommt: Sparern hilft das alles herzlich wenig. Wie schon Historiker Frederick Taylor Anfang Dezember im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online erklärte, braucht es keine hohe Inflationsrate, um Vermögen zu zerstören. „Wenn Sie nur 0,5 Prozent Zinsen auf Ihre Ersparnisse bei der Bank bekommen, die Inflationsrate aber 1,5 oder 2,0 Prozent beträgt, dann verlieren Sie schleichend Geld“, so der Brite. Keine Frage: Die Notenbanken und Regierungen betreiben seit dem Ausbruch der Schuldenkrise kalte Enteignung par excellence.

All den Betroffenen hatte Marion Draghi in Davos nichts zu sagen. Auch kein Wort zu den Vorwürfen, die EZB nehme mit ihrer Politik den Reformdruck von den Pleitestaaten. Griechenland, Italien, aber auch Spanien wollen 2014 zum Jahr des Richtungswechsels machen. Sie wollen den Fokus mehr aufs Wachstum legen, wie sie sagen. Konkret heißt das: Höhere Ausgaben für die Wirtschaft, höhere Sozialausgaben und Lohabschlüsse, weniger Wettbewerbsfähigkeit. Finanziert wird das Ganze mit Schulden. Bei den derzeit gültigen Fast-Null-Realzinsen kostet es ja fast nichts.

Und so nimmt sich auch die Bundesregierung, einer der letzten Kritiker der lockeren Geldpolitik der EZB, ein Vorbild am Süden. Schließlich hat auch die Große Koalition das Sparen größtenteils aufgegeben. Mütterrente, Ruhestand mit 63 Jahren und Mindestlohn: Die Wahlkämpfer haben viel versprochen und machen sich nun ans Umsetzen der teuren Geschenke. So lange Mario Draghi und die EZB den Regierungen den Rücken freihalten, können solche Projekte auch ruhigen Gewissens finanziert werden.

Dem Autor auf Twitter folgen:

.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%