Werner knallhart

Europapark: Lustige Kolonialverbrechen und Gazprom-Verehrung

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"Powered by Gazprom"

Da gibt es ein sogenanntes Abenteuerland, das wegen seiner Elefanten, Nashörner, Nilpferde und schwarzen Puppen im Lendenschurz nicht verbergen kann: Das ist Afrika. Und schon wieder winkt einem entgegen: ein fröhlicher Europäer. Dieses Mal mit Tropenhelm, beigefarbenem Anzug und einem niedlichen Affen auf den Schultern.

Fährt man weiter, gelangt man in eine Höhle. Dort warten mit grimmigen Gesichtern: die Schwarzen. Einer sitzt stumm auf einer Art Thron. Andere springen plötzlich auf, wie sonst nur die Figuren in Batavia und in der Geisterbahn.

In Afrika gibt es keine Jeans

Alle Afrikaner mit bunter Verkleidung inmitten von Krokodilen und Löwen. Liebes Kind, merke: In Afrika gibt es keine Jeans, keine richtigen Häuser und überall lauern gefährliche Tiere. Wie gut, dass wir in Europa sind. Das Wort Afrika musst du dir gar nicht merken. Die Leute vom Europapark nennen den Kontinent Afrika auch einfach so, wie es ihnen passt.

So erscheint das wirre Spiel mit den Klischees viel harmloser. Nur der Schaufelraddampfer heißt, hups, African Queen. Wie das Boot aus dem Spielfilm mit Humphrey Bogart und Katharine Hepburn. Die Geschichte spielt in Deutsch-Ostafrika.

Weil ich den Park liebe, seit ich ein Kind war, ist mir diese respektlose Kolonial-Verkitschung mit Piraten und Kriegern in Lendenschurz gar nicht negativ aufgefallen. Als ich aber vergangene Woche mit einem Freund aus Los Angeles da war, fragte der mich: „Ist das euer Blick auf den Kolonialismus? Fröhliche Europäer in Kleidung, schlecht gelaunte Schwarze halbnackt?“ Mir fiel keine gute Rechtfertigung ein. Peinlich.

Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es Völkerschauen in Deutschland. Da wurden etwa Äthiopier und Beduinen wie exotische Tiere in Zoos vorgeführt. Heute darf man das nur noch mit Puppen. Aber will man das auch?

Gazprom sponsert den Europapark

So wenig Fingerspitzengefühl die Macher des Europaparks bei der Inszenierung unserer Geschichte haben, so wenig Händchen beweisen sie mit der gegenwärtigen politischen Gemengelage auf unserem Kontinent. Wenn ich überlege: Vor welchen Weltkonzernen haben die Europäer Angst? Dann fällt mir ein: Google, Facebook, Gazprom. Mit der Besonderheit, dass die Gazprom-Tochter Gazprom Neft derzeit von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt ist - wegen Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt.

Der Europapark aber lässt sich von Gazprom sponsern. Die vom russischen Energiegiganten präsentierte Achterbahn heißt sogar Bluefire. Blau brennt auch die Flamme von Erdgas im Kraftwerk. Im Europapark darf Gazprom in einer Halle in Videoinstallationen mit Windkraft und Sonnenenergie prahlen - während in Osteuropa die Angst umgeht,

Gazprom könnte wegen der Sanktionen die Gaslieferungen reduzieren und Menschen im Winter frieren lassen. Diese Taktlosigkeit ist auch schon den Gästen des Europaparks aufgefallen. Auf dem Eingangsschild zur Achterbahn hängt ein Schild. Statt der Aufschrift „Powered by Gazprom“ stand dort kürzlich „Powered by Scheißverein“. Ein Statement per Aufkleber - offenbar von einem Besucher.

Wo bleibt der europäische Geist?

Gazprom ist zur Hälfte in der Hand des russischen Staates, dessen Regierung aus Sicht Europas den Ukraine-Konflikt schürt und die außerdem unverhohlen Homosexuelle verfolgt - um nur zwei Beispiele zu nennen. Wo bleibt da der europäische Geist?

Dass ein Fußballverein wie Schalke 04 sich von solch einer Firma durchfüttern lässt, ist das eine. Ein Park, der die kulturelle Vielfalt und grenzenlose Freiheit Europas zelebriert und Geld von Gazprom nimmt, das andere.

Der Europapark - ein Park mit grandiosen Achterbahnen, liebevoll nachgebauten Dörfern und perfekt gepflegten Parkanlagen. Aber mit einer gelebten Wurscht-Haltung zu Europas Rolle in der Welt.

Ticken die geschäftsführenden Brüder Jürgen und Roland Mack wirklich so oder haben die das einfach übersehen in ihrem riesigen Park? Walt Disney war da weiser: Er stopfte einfach ein paar Leute in Micky-Maus-Kostüme und ließ sie winkend und Kinder knuddelnd um das kunterbunte Neuschwanstein-Märchenschloss stapfen. Motto: „The happiest place on earth.“ Europas Lebensgefühl ist eben etwas vielschichtiger.

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