Die Stimmungsindikatoren in der Eurozone sind in Feierlaune. Sowohl die Einkaufsmanagerindizes als auch die Geschäftsklimaindikatoren deuten darauf hin, dass die wirtschaftliche Dynamik in der Eurozone in den kommenden Monaten zunimmt. Dabei scheint die Erholung nicht nur auf einzelne Länder beschränkt zu sein: Etliche EWU-Mitgliedsländer gaben zuletzt robuste Konjunktursignale. So dürfte der Aufschwung in der Eurozone eine breitere Basis gewinnen. Hintergrund dieser erfreulichen Entwicklung dürfte eine leichte Beschleunigung der Weltkonjunktur sein. Diese profitiert auch vom leicht gestiegen Ölpreis und von einer weiterhin sehr stabilen wirtschaftlichen Entwicklung in China.
Das Deflationsgespenst, das die Marktteilnehmer und Geldpolitiker noch im letzten Jahr in Atem gehalten hatte, hat mit dem kräftigen Anstieg der europäischen Inflationsraten seinen Schrecken verloren. Der Inflationsdruck ist zwar weiterhin niedrig, aber die jüngsten positiven Entwicklungen hinsichtlich der Konjunktur- und Inflationsentwicklung sorgen für wachsende Unruhe bei den Währungshütern.
Die amerikanische Notenbank hat bereits reagiert und die Zinsen im März angehoben und zwei weitere Zinsanhebungen dürften in 2017 noch kommen. Die EZB ist aktuell noch weit von Leitzinsanhebungen entfernt. Aber bereits bei der jüngsten Sitzung des EZB-Rates klang Präsident Draghi nicht mehr ganz so pessimistisch wie in der Vergangenheit. In den kommenden Monaten dürfte die Geldpolitik auch in der Wortwahl sukzessive weniger expansiv werden.
Geldpolitik der EZB
Die EZB setzt ihre ultralockere Geldpolitik unverändert fort: Der Leitzins bleibt bei null Prozent. Monatlich kauft die Notenbank weiter Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Milliardenumfang. Basierend auf den aktuellen Daten halte der EZB-Rat die expansive Geldpolitik nach wie vor für angemessen, begründete Draghi. Immerhin sagt Europas oberster Währungshüter, dass die Notenbank derzeit keine Notwendigkeit sehe, noch mehr Geld in die Hand zu nehmen - etwa über neue Langfristkredite für Banken.
Die EZB strebt für den Euroraum eine Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug von der Nulllinie entfernt. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft im gemeinsamen Währungsraum robust um 1,7 Prozent. Im Februar 2017 dann knackte die Teuerung erstmals seit vier Jahren wieder die Marke von zwei Prozent - die von den Währungshütern angepeilten Ziele scheinen erreicht. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den 19 Ländern des gemeinsamen Währungsraumes groß. „Die EZB hat einen Auftrag für den Euroraum insgesamt, und darauf muss sie ihre Geldpolitik ausrichten“, sagte der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing dem „Handelsblatt“.
Hauptgrund für den Anstieg der Inflation ist ein kräftiger Sprung der Energiepreise. Ökonomen rechnen damit, dass der Höhepunkt zunächst erreicht ist. „In den nächsten Monaten dürfte die Inflationshysterie wieder etwas nachlassen“, erklärt die Commerzbank. Wichtig ist für die Währungshüter eine nachhaltige Entwicklung der Verbraucherpreise. Dabei haben sie auch die Kerninflation im Blick - also die Teuerung ohne stark schwankende Energie- und Nahrungsmittelpreise. Im Februar verharrte diese Rate bei vergleichsweise niedrigen 0,9 Prozent.
„Der große Belastungstest steht vermutlich am 7. Mai an, wenn die Stichwahl darüber entscheidet, ob mit Marine Le Pen eine erklärte Euro-Feindin französische Präsidentin wird“, erläutern Ökonomen der Landesbank Helaba. Solange dies nicht geklärt sei, dürfte EZB-Präsident Draghi keine geldpolitische Kursänderung zulassen. Ähnlich sieht das ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Sollte sich die politische Unsicherheit nach den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich legen, könnte die Notenbank im Sommer Hinweise auf einen Ausstieg im Jahr 2018 geben. „Dieses Timing könnte helfen, das EZB-Bashing im beginnenden Wahlkampf in Deutschland zu dämpfen“, sagt Brzeski.
Das dürfte noch eine Weile dauern. Draghi bekräftigte erneut, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben werden - mindestens bis zum Auslaufen der Anleihekäufe Ende 2017. Für Sparer ist das Zinstief bei steigender Inflation bitter. Sparbuch und Co. werfen ohnehin kaum noch etwas ab. Solange die Teuerungsrate nahe der Nulllinie dümpelte, glich sich das in etwa aus. Bei steigenden Verbraucherpreisen bleibt Sparern unter dem Strich aber weniger Geld.
Alle, die Kredite aufnehmen, zum Beispiel Immobilienkäufer. Auch wenn die Zinsen wieder leicht steigen, sind Hypothekenkredite immer noch günstig. Die ultralockere Geldpolitik kommt auch dem deutschen Fiskus zugute, weil er sich günstig verschulden kann. „Wären die Zinsen auf dem Niveau des Jahres 2007 geblieben, hätte der deutsche Staat über die Zeit um rund 250 Milliarden Euro höhere Zinsausgaben stemmen müssen“, rechnete Bundesbank-Präsident Jens Weidmann jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor.
Die EZB kann nicht von heute auf morgen einfach den Geldhahn zudrehen. Das würde zu schweren Turbulenzen an den Finanzmärkten führen. Um den Markt vorzubereiten, müssten die Währungshüter das Auslaufen der Wertpapierkäufe einige Monate vorher ankündigen, erläutert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Friedrich Heinemann, Experte am Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW, mahnt: „Dringend nötig wäre eine klare Perspektive für 2018 mit einer realistischen Strategie zum Auslaufen der Anleihekäufe. Wie bei jedem Ausstieg aus einer Droge ist mit Entzugserscheinungen an den Anleihemärkten zu rechnen, auch Panikattacken sind denkbar.“
Bevor die EZB die Leitzinsen anheben kann, möchte sie aber zuerst das noch laufende Anleihekaufprogramm beenden, so ist zumindest bislang das Mantra der EZB. Auf der Septembersitzung dürfte die europäische Notenbank dann gemäß dem Motto „Dosis verringern, Rezept verlängern“ zwar eine Weiterführung der Anleihekäufe bis ins erste Halbjahr 2018 bekannt geben, aber das Volumen wohl um zehn Milliarden auf dann 50 Milliarden Euro pro Monat verringern.
Beenden dürfte die EZB das Programm dann im Laufe von 2018, wenn es zu keinen neuen Problemen bei den Euroländern kommt. Insbesondere die anstehende Parlamentswahl in Italien könnte zu Verwerfungen an den Anleihemärkte führen. In einem solchen Fall könnte die EZB das Kaufprogramm auch über 2018 hinweg am Leben erhalten.
Im Laufe von 2017 sollte die EZB aber trotzdem an der Zinsschraube drehen. Im Herbst dieses Jahres sollte die EZB den Einlagesatzes von minus 0,40 Prozent auf minus 0,25 Prozent anheben. Mit einem allmählich heilenden Kreditkanal und entschwundenen Deflationsrisiken kann die EZB damit eine weitere Normalisierung der geldpolitischen Maßnahmen signalisieren, wenn sie bei ihren Zinssätzen wieder eine Symmetrie herstellt. Übergeordnet bleibt sie aber weiterhin eindeutig expansiv.
Die Notenbanken in den USA aber auch im Euroraum scheinen das Zinstief durchschritten zu haben und bewegen sich hin zu einer weniger restriktiven Politik, wenn gleich die Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks expansiv bleibt. Diese Entwicklungen haben sich bereits auf die Anleiherenditen ausgewirkt. In den USA jedoch stärker als im Euroraum, wegen des laufenden Anleihekaufprogramms der EZB.
Zumindest in den USA ist bereits ein Großteil der Zinserwartungen in den Renditen eingepreist und der weitere Anstieg ist begrenzt. So dürften die Renditen der zehnjährigen Staatsanleihen in den USA kaum über drei Prozent steigen. Die Bundesanleihen sollten bis Ende 2017 kaum über 0,75 Prozent steigen. Die Zeit des sehr billigen Geldes geht langsam zu Ende, aber richtig teuer wird es auch nicht.