Wirtschaft im Weitwinkel

Auch Populismus kann nützlich sein

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Politisches Vakuum

Insbesondere bei den ersten beiden Themen hätten die etablierten Parteien und die Regierungen in den Ländern in den vergangenen Jahren Aufklärungsarbeit leisten können und damit einiges richtigstellen können. Politik und gesellschaftliche Herausforderungen kann man eigentlich nur mit den Menschen gestalten. Dafür muss man die Menschen aber auch mitnehmen und vieles erklären.

Dies zeigt sich sehr schön an den Themen Europa und Globalisierung. Beide sind zu Schlagwörtern für den populistischen Mainstream geworden, da viele Menschen ihre sozialen Ängste in diese Wörter projizieren. Tatsache ist aber, dass es uns dank Europa und der Globalisierung - eine engere Verflechtung der Handelsbeziehungen - gesellschaftlich besser geht.

Einzelne Bevölkerungsteile haben sicherlich weniger profitiert als der Durchschnitt. Aber dies hätte man durch eine ausgewogene Sozialpolitik auffangen können. Das Grundproblem besteht aber darin, dass man die wirtschaftspolitischen Wechselwirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung nicht erkannt und/oder vernachlässigt hat. Entsprechend fand auch keine breite öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Themen statt. Dieses politische Vakuum wurde von den populistischen Parteien dankbar gefüllt.

Wenn diese These stimmt, dann werden die populistischen und nationalistischen Parteien nicht einfach verschwinden. Es hilft wohl auch wenig, wenn etablierte Parteien versuchen auf den Zug aufzuspringen oder aus Angst vor den falschen Themen auf ein konkretes Wahlprogramm verzichten. Auch die Angst vor unbequemen Wahrheiten sollte man ablegen. Die Menschen in Europa wollen Erklärungen und Visionen für eine vernünftige Weiterentwicklung der Länder und Europa. Beides geht aber nur gemeinsam.

In den kommenden Wahlen in Frankreich und Deutschland sollten die etablierten Parteien die Regierung stellen und damit dürften sich die Ängste vieler Politiker und Investoren als unbegründet erweisen. Das Grundproblem besteht jedoch weiterhin und damit werden die entsprechenden Parteien weiter in der politischen Diskussion ihren Platz haben. Für stabile Demokratien ist dies kein Problem.

Zudem hat es den Vorteil, dass die regierenden Parteien auf viele ihrer Versäumnisse zeitnah hingewiesen werden. Dies muss die politische Diskussion vorantreiben. Wenn es also den etablierten Parteien gelingt, die Diskussionen über Integration, Globalisierung und die Weiterentwicklung der EU an sich zu reißen und in einem konstruktiven Dialog Antworten zu geben und die Themen damit selbst voranzutreiben, dann kann der Populismus sogar einen Nutzen gehabt haben.

Das Wahlprogramm der AfD enthält maßlose und unrealisierbare Forderungen. Warum das so ist und was die etablierten Parteien damit zu tun haben.
von Ferdinand Knauß

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