Zusammenarbeit mit Erdogan "Der Türkei-Deal ist ein großer Bluff"

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Was, wenn das Abkommen scheitert?

Die Position der Türken ist nicht neu. Vor fünf Jahren hatten EU und Türkei bereits über ein Rücknahmeabkommen verhandelt. Und schon damals bestand die Türkei auf die Visafreiheit. 2013 setzte sie dann eine Frist. Binnen drei Jahren sollte die Visafreiheit gewährt werden – nur dann könne es ein solches Abkommen geben. Das ist seit dem 18. März 2016 in Kraft, die Visafreiheit aber noch nicht. Die Frist läuft nun aus.

Die Europäische Union besteht darauf, dass alle 72 Kriterien erfüllt werden, die sie für die Visafreiheit verlangt. Kritisch ist dabei nur ein Punkt. In der Türkei gelten umstrittene Terrorgesetze, die auch genutzt werden, um kritische Oppositionelle zu schikanieren. Diese soll Ankara entschärfen, fordert Brüssel. Doch Knaus wirft der EU Doppelmoral vor. „Die Menschenrechtslage in der Türkei ist und bleibt schwierig – daran ändern kosmetische Veränderungen an Gesetzen auch nichts“, sagt der Europa-Experte.

Wie wirkt der Ausnahmezustand in der Türkei über die Grenzen hinaus?

Er plädiert dafür, die EU solle sicherstellen, dass die Flüchtlinge menschenwürdig in der Türkei leben können. Und sie soll die Menschenrechtslage im Land kritisieren. „Aber das hat eben nichts mit der Visafreiheit zu tun“, sagt Knaus. Für Journalisten und Oppositionelle, die unter dem Regime leiden, könnte die Reisefreiheit im Zweifel sogar die Flucht nach Europa ermöglichen. „Wer sich für Menschenrechte in Türkei interessiert, kann nicht gegen die Visa-Liberalisierung sein“, sagt Knaus.

Und wenn das Abkommen doch scheitert? Die Flüchtlinge im Nahen Osten dürften das schnell mitkriegen, die Schlepper die gefährlichen Fahrten über die Ägäis wieder intensivieren. Und sollten dann wieder mehr Flüchtlinge nach Europa gelangen, droht in Griechenland eine Krise. Denn die süd- und osteuropäischen Staaten dürften ihre Grenzen befestigen – ganz nach dem ungarischen Vorbild. „Das darf Europa nicht zulassen“, meint Knaus.

Über 45.000 Flüchtlinge warten schon heute in Griechenland darauf, das griechische Asylverfahren zu durchlaufen. Kommen noch mehr Flüchtlinge ins Land würde ein europäischer Staat zum Auffangbecken für zigtausende Flüchtlinge werden. An dieser Aufgabe kann Griechenland nur scheitern.

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