Abhängig vom Export Russland hängt am Öl wie ein Junkie an der Nadel

Seite 2/3

Geld floss in Staatshilfen

Putins beste Sprüche
Putins beste Sprüche„Ich weiß nicht, womit sie heizen wollen. Atom wollen sie nicht, Gas wollen sie nicht. Wollen sie wieder mit Holz heizen?“ Putin über die Energiedebatte in Deutschland, November 2010
„Wir werden unser Volk nicht vergiften.“  Zum Importverbot für EU-Gemüse wegen Ehec, 11.6.2011
„Wo man nicht zusammen kommen kann, bekommt man den Knüppel auf die Rübe“   Zum Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, 6.9.2010.
„Wer das getan hat, wird den Preis dafür bezahlen und im Suff oder Drogenkonsum enden“ Über den Verrat russischer Spione in den USA, 2.8.2010.
„Ich habe vielleicht in der Universität nicht das allermeiste gelernt, weil ich in der Freizeit viel Bier getrunken habe. Aber einiges habe ich doch behalten, weil wir sehr gute Dozenten hatten.“ Über sein Studium, Mai 2005.
„Die Russen kommen hier nicht mit Kalaschnikow und mit Panzern her, sondern Russland bringt das Geld mit.“ Zu Investitionen russischer Unternehmen in Deutschland, Oktober 2006.
„Niemand will, dass die G8 zu einer Ansammlung fetter Kater wird.“ Über die Rolle Russlands in der Gruppe der führenden Industrienationen, Januar 2006.

Bis zur jüngsten Krise präsentierte sich das Land ungleich kraftvoller. Russland sei ein sicherer Hafen für Kapital aus aller Welt, tönte der damalige Finanzminister Alexej Kudrin, als westwärts nach der Lehman-Pleite schon die Börsen crashten. Russland gefiel sich in der Rolle einer neuen Wirtschaftslokomotive der Welt mit Wachstumsraten um die acht Prozent pro Jahr. Die Regierung träumte, Moskau zu einem globalen Finanzzentrum wie London und New York auszubauen. Als Russland dann aber doch in den Sog der Weltwirtschaftskrise geriet, platzten die Träume im Nu. Das Geld, welches Russland in den Jahren zuvor angehäuft hat, floss in massive Staatshilfen für Industrie und Banken, um sie vor der Pleite zu retten.

Wladimir Tichomirow glaubt daher bestenfalls an drei Prozent Wachstum. Der Chefökonom der Finanzgesellschaft Otkrytie sieht neben wegbrechenden Rohstoffeinnahmen und der schwächelnden Konjunktur in Europa ein spezifisch russisches Problem: Der Staat habe seine Ausgaben zur Duma-Wahl im vergangenen Dezember so stark hochgefahren, dass eine weitere Steigerung unmöglich ist – und damit auch die fiskalische Stimulation des Wachstums, auf die Putin so gern setzt.

Russische Konsumfreude

Vielmehr muss der Kreml darüber nachdenken, wo gespart werden kann, sagt Tichomirow. Das ist eine ungewohnte Situation für Putin und seinen expansiv orientierten Apparat. Hinzu kommt: Die Gewinne der Privatunternehmen schrumpfen. Dmitrij Polewoj von der ING-Bank warnt: „Wenn man bedenkt, dass russische Unternehmen ihre Investitionen zur Hälfte aus Eigenmitteln finanzieren, schlägt ein Gewinneinbruch schnell auf das Wachstum durch.“ Die Unternehmen streichen über Nacht Investitionspläne zusammen.

Nach dem Ausfall von staatlichen und privaten Investitionen bleibt die Konsumfreude der Russen als letzte Konjunkturstütze. Die Kauflaune der Russen ist zwar niedriger als vor einem Jahr, aber höher als die Wachstumsraten bei Exporten und Industrieproduktion. Für den stabilen Konsum sind nicht nur gestiegene Sozialausgaben und üppige Lohnerhöhungen bei Polizei und Militär verantwortlich. Beeindruckend ist vor allem die Rolle der Banken, die zuletzt deutlich mehr Kredite für Autos, Möbel oder Elektronik vergaben. Insgesamt legte der Umsatz im Einzelhandel im vergangenen Halbjahr um mehr als sechs Prozent zu.

Gestiegene Kreditzinsen

Die meisten Experten sind sich indes sicher, dass der private Konsumboom die russische Wirtschaft nicht vor der Rezession retten kann. Zwar wird der Staat wohl als Letztes bei den Sozialausgaben sparen. Die Banken können die Kreditvergabe allerdings nicht ewig mit dem gleichen Tempo ausweiten. Schon heute wird es schwierig für die Institute, sich im Ausland mit günstigem Kapital einzudecken. „Kredite aus dem Ausland sorgten vor 2009 für kräftigen Kapitalzufluss und ließen Konsum und Investitionen in die Höhe schnellen. Das ist nun vorbei“, erklärt Tichomirow.

Zumal die Währungshüter nachhelfen: Die Zentralbank hat die Politik des steigenden Rubels aufgegeben, die früher die Kapitalbeschaffung im Ausland begünstigt hat. Dagegen haben die Regulierer in Moskau die Inflation ins Auge gefasst. Die Leitzinsen liegen mit acht Prozent sogar noch über der Teuerungsrate und könnten laut Erwartungen von Analysten weiter steigen. Die Folgen für die gedrosselte Geldentwertung tragen die Unternehmen. Die Kreditzinsen sind dieses Jahr von acht auf zehn Prozent gestiegen, der Anteil der Unternehmenskredite im Portfolio der Banken ist so niedrig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Und die direkten Auslandsschulden russischer Unternehmen sind seit 2008 fast auf demselben Niveau geblieben.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%