Bank of England Notenbank erwägt weitere Schritte nach Brexit-Schock

Der Brexit-Schock hat die britische Wirtschaft hart getroffen: Das Wachstumstempo hat sich seit dem Votum in etwa halbiert. Die Bank of England erwägt eine weitere Lockerung der Geldpolitik, um die Wirtschaft zu stützen.

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Der britische Notenbankchef erwägt weitere Zinsschritte nach dem Brexit-Schock. Quelle: Reuters

London Großbritannien hat den Brexit-Schock wirtschaftlich nicht so gut weggesteckt wie erhofft und steuert auf eine weitere Zinssenkung zu. Alle bereits ergriffenen Maßnahmen könnten ausgeweitet werden, betonte Notenbankchef Mark Carney am Mittwoch vor einem Parlamentsausschuss in London. Das Wachstumstempo habe sich seit der Zeit vor dem Anti-EU-Referendum vom 23. Juni in etwa halbiert. Die Bank of England (BoE) sei bereit, alles Nötige zu tun. Carneys Stellvertreter Jon Cunliffe signalisierte, dass er noch dieses Jahr für niedrigere Zinsen votieren könnte.

BoE-Führungsmitglied Kristin Forbes schlug in dieselbe Kerbe: Künftig könne es Argumente geben, die geldpolitischen Zügel weiter zu lockern. Mit 0,25 Prozent liegt das Leitzinsniveau seit der jüngsten Senkung Anfang August so tief wie nie zuvor seit Gründung der BoE vor mehr als 300 Jahren.

Von Reuters befragte Experten erwarten, dass die Währungshüter im November nachlegen und den Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld weiter drücken. Argumente dafür liefern jüngste Konjunkturdaten, die Furcht vor einer Talfahrt der Wirtschaft nährten. Die Industrieproduktion ging im Juli mit 0,9 Prozent so stark zurück wie seit einem Jahr nicht mehr. Zudem fielen die Häuserpreise im August den zweiten Monat in Folge, wie der Baufinanzierer Halifax mitteilte. Vom Bau und den Dienstleistern waren zuletzt eher positive Signale gekommen. "Einige Daten sind in jüngster Zeit etwas zu positiv bewertet worden. Das Bild ist eher gemischt", warnte das ehemalige Notenbank-Mitglied Charlie Bean. Dem Finanzstandort drohe zudem ein Bedeutungsverlust.

Nach einem EU-Ausstieg stehe insbesondere die Abwicklung von Euro-Derivategeschäften - das sogenannte Clearing - zur Disposition: "Ich denke, wir werden es sicherlich verlieren", sagte der Ex-Währungshüter vor einem Oberhaus-Ausschuss. Finanzplätze wie Paris und Frankfurt gelten als erste Anwärter, die Rolle Londons zu übernehmen. Zumindest der Status als wichtigster Standort für die Vermögensverwaltung in Europa dürfte London erhalten bleiben, wie der Schweizerische Fonds- und Assetmanagementverband (SFAMA) vorhersagt. Die Metropole an der Themse werde mit einem Marktanteil von 40 Prozent wohl Platzhirsch bleiben.

Ob die Briten weiter Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit seinem zollfreien Warenverkehr bekommen, muss in Verhandlungen über den Austritt geklärt werden. Premierministerin Theresa May ist derzeit dabei, die Risiken des Brexit zu bewerten und eine entsprechende Verhandlungsstrategie vorzubereiten. Die konservative Politikerin betonte, sie wolle die Aussichten nüchtern bewerten und nichts übers Knie brechen. Keinesfalls werde sie ihre Strategie vorab offenbaren.

Für das Londoner Finanzzentrum ist vor allem der sogenannte EU-Pass wichtig. Er ermöglicht Banken den ungehinderten Zugang zu den Kapitalmärkten der EU. Finanzminister Philip Hammond will nach eigenen Worten bei den Verhandlungen das Beste herausholen. London müsse seine Führungsrolle als Finanzplatz behalten. Die britischen Geldhäuser streben einen gleitenden Übergang an: "Wir denken, dass es in irgendeiner Form eine Übergangsregelung geben sollte", sagte Bankenverbandschef Anthony Browne. Damit werde Druck von den Finanzinstituten genommen. Dann müssten sie nicht so rasch entscheiden, ob sie Geschäftsfelder von der Insel auf das europäische Festland verlegen sollten.

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