Bankenlobby-Treffen in Madrid Die überforderten Notenbanker

Europas Währungshüter senden einen Hilferuf an die Politik, glauben aber nicht wirklich, dass sie gehört werden. Die Banker fordern eine Euro-Zone mit gemeinsamer Wirtschaftspolitik und gemeinsamen Finanzminister.

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„Der monetäre Stimulus der EZB erreicht seine Grenzen. Jetzt muss die Politik dringend ihren Beitrag leisten.“ Quelle: Reuters

Madrid Es ist ein Mantra, dass EZB-Präsident Mario Draghi seit langem vor sich herträgt: Die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank kann die Probleme der Euro-Zone nicht lösen, sie kann nur Zeit kaufen, die die Politik für Reformen nutzen muss. Doch die Politiker tun sich mehr als schwer, auch weil die Stimmung in vielen Mitgliedsländern der Euro-Zone zunehmend europaskeptisch wird.

Wie schwierig dieses Dilemma zu lösen ist, zeigte sich beim Treffen der internationalen Großbankenlobby IIF in Madrid. Die angereiste EZB-Prominenz schwankte zwischen aggressiven Forderungen an die Politik, resigniertem Realismus und Überforderung.

Es wurde klar, dass die Angst der Notenbanker vor einem Verlust des Vertrauens in ihre Geldpolitik größer wird. Trotz ihrer ultralockeren Geldpolitik verfehlen die Währungshüter mittlerweile seit über drei Jahren ihr Stabilitätsziel.

Angesichts dieser Herausforderung bleibt der EZB nach Ansicht ihres Chefvolkswirts Peter Praet derzeit gar nichts anderes übrig als an den Negativzinsen festzuhalten. Schlüsselzinsen unter null blieben angesichts der Herausforderung, die Inflationsrate wieder in Richtung des EZB-Ziels von knapp zwei Prozent zu bewegen, eine geldpolitische Option, sagte Praet in Madrid.

Klaas Knot, der Chef der niederländischen Notenbank, machte allerdings klar, dass der monetäre Stimulus der EZB seine Grenzen erreiche, und dass jetzt die Politik dringend ihren Beitrag leisten müsse. „Geldpolitik kann kein Ersatz für fehlende Koordination der Wirtschaftspolitiken und Reformen sein“, sagte auch Frankreichs oberster Notenbanker Francois Villeroy de Galhau.

Galhau schlug erneut eine weitgehendes Integrationsprojekt für die Währungsunion vor, das in einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik und einem gemeinsamen Finanzminister gipfeln soll. Auch der spanische Notenbankpräsident Luis Maria Linde hält eine neue Integrationsoffensive für wünschenswert. Europa müsse sich wieder stärker auf die Ziele des so genannten Berichts der fünf Präsidenten konzentrieren.

Darin fordert der EU-Kommissionschef zusammen mit den Präsidenten des Europäischen Parlaments, der Europäischen Zentralbank, der Euro-Gruppe und des Europäischen Rats, dass die Euro-Staaten künftig verstärkt nationale Eigenständigkeit aufgeben. Der Euro-Raum müsse sich „von einem System der Regeln und Leitlinien für die nationale Wirtschaftspolitik“ wandeln hin zu einem „System weiter gehender Souveränitätsteilung im Rahmen gemeinsamer Institutionen“. Im Gegenzug sollen die Staaten auf die Solidarität der Europartner bauen können.  

Der Niederländer Knot hält solche weitreichenden Projekte im Moment allerdings angesichts des wachsenden Misstrauens gegenüber Brüssel für utopisch. Er glaubt, dass sich die Politik zur Förderung des Wachstums lieber auf eine Reihe kleinerer aber konkreter Schritte konzentrieren sollte. Dazu zählt er eine weitere Liberalisierung der Märkte für Dienstleistungen und die Förderung von Innovationen.

Aber Knot forderte auch eine Rückbesinnung auf die Regeln des Vertrags von Maastricht, in dem Rettungsaktionen für Nationalstaaten eigentlich ausgeschlossen werden. Aber bevor das möglich sei, brauche die Euro-Zone die Vollendung der Bankenunion und klare Regeln für die Restrukturierung von Staatsschulden im Krisenfall, räumte Knot ein.

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