Benoit Coeure EZB-Direktor signalisiert Staatsanleihekäufe

EZB-Direktor Benoit Coeure hat ein klares Signal für breit angelegte Staatsanleihekäufe gegeben. Experten handeln die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schrittes immer höher. Doch das Vorgehen ist umstritten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
EZB-Direktor Benoit Coeure: „Ich sehe einen breiten Konsens im EZB-Rat, dass wir mehr tun müssen.“ Quelle: Reuters

Frankfurt/Paris Frankreichs EZB-Direktor Benoit Coeure hat mit deutlichen Worten weitere Schritte der Notenbank gegen die Konjunkturflaute und eine mögliche ruinöse Deflation in der Währungsunion gefordert. Es sei nicht mehr die Frage, ob, sondern wie die Europäische Zentralbank (EZB) dies am besten tun könne, sagte Coeure in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview mit dem „Wall Street Journal“.

Zuvor hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron erklärt, Staatspräsident Francois Hollande werde beim EU-Gipfel Ende der Woche eine „besser passende“ Geldpolitik der Notenbank gefordert. Coeures überraschend deutliche Aussagen drückten den Euro am Devisenmarkt auf ein Tagestief.

„Ich sehe einen breiten Konsens im EZB-Rat, dass wir mehr tun müssen.“ Sollte sich die Spitze der Notenbank, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Teuerung anzuheizen, für den Einsatz weiterer Instrumente entscheiden, plädierte Coeure dafür, besonders liquide Segmente der Finanzmärkte für den möglichen Aufkauf von Wertpapieren in den Blick zu nehmen.

Der Aufkauf von Staatsanleihen – im Fachjargon Quantitative Easing (QE) genannt – sei dabei die Basisoption. „Das heißt nicht notwendigerweise, dass wir nur Staatsanleihen kaufen würden“, sagte der Vertreter Frankreichs im sechsköpfigen Führungsteam der EZB. Die Euro-Notenbankern entscheiden am 22. Januar das nächste Mal über ihren geldpolitischen Kurs.

An den Finanzmärkten wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Zentralbank schon bald noch mehr Geld in die Wirtschaft pumpt, inzwischen immer höher gehandelt. EZB-Präsident Mario Draghi hatte zuletzt die Tür für einen solchen in Deutschland heftig umstrittenen Schritt weit geöffnet.


Kritik aus Deutschland

Die Bundesbank lehnt ein solches Vorgehen ab. Ihr Präsident Jens Weidmann hatte sich erst am Dienstag kritisch geäußert und Risiken und Nebenwirkungen einer solchen Geldpolitik nach dem Vorbild der US-Notenbank Federal Reserve betont. Mit dem Kauf von Staatsanleihen würde die EZB die Geldschleusen noch weiter öffnen und hoffen, dass die Banken mit dem frischen Geld mehr Kredite vergeben.

Viele Ökonomen vor allem aus Deutschland zweifeln jedoch daran, dass dies überhaupt passiert, weil die Nachfrage nach Krediten in den Krisenländern Südeuropas nur gering ist und sich auch durch noch so viel Geld im Finanzsystem vermutlich nicht ankurbeln lassen dürfte.

Die EZB dürfte sich allerdings dazu gezwungen sehen zu handeln, schließlich verfehlt sie ihr Ziel für die Teuerungsrate seit Monaten. Coeure betonte denn auch, er sehe die EZB „moralisch und rechtlich“ in der Pflicht, ihrem Mandat gerecht zu werden und für stabile Preise zu sorgen. Die Teuerungsrate lag zuletzt in der Währungsunion bei lediglich 0,3 Prozent; die Notenbanker sprechen bei knapp unter zwei Prozent von stabilen Preisen.

Sie ziehen damit einen Sicherheitsabstand zu einem Verfall der Preise unter null ein, da die Mittel der Geldpolitik in einer solchen Deflationsszenario so gut wie nicht mehr wirken. Das zeigt sich derzeit in Japan, wo die Notenbank mit allen Mitteln versucht die das Land seit Jahren lähmende Deflation zu verlassen – mit mäßigem Erfolg.

Unter Deflation versteht man den Verfall der Preise auf breiter Front. In der Folge zögern Verbraucher beim Konsum und Firmen verschieben Investitionen, weil sie auf immer weiter fallende Preise spekulieren. Letztlich gerät die Wirtschaft dadurch in eine Abwärtsspirale, aus der es kaum noch ein Entrinnen gibt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%