Brexit Notenbanker zögern vor dem Votum der Briten

Vor dem Votum der Briten über den EU-Austritt warten die Notenbanken weltweit zunächst ab. Sie fürchten jedoch Verwerfungen im Falle eines Brexits – und bereiten sich auf die Folgen vor.

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Der Chef der japanischen Notenbank wartet vor dem Brexit-Votum ab. Quelle: dpa

Frankfurt Das weltweite Finanzsystem steht vor einem Belastungstest. Wenn nächste Woche die Briten über den EU-Austritt abstimmen, könnte das zu schweren Turbolenzen führen. Die großen Notenbanken auf der Welt haben jedoch einen Vorteil: Sie konnten sich lange auf einen möglichen Schock vorbereiten.

Dennoch könnte ein Brexit schwere Folgen haben. Deshalb halten sich derzeit die großen Notenbanken mit Entscheidungen zurück. In den USA schob die Federal Reserve (Fed) eine Erhöhung des Leitzinses auf, auch die Währungshüter in Japan und der Schweiz hielten am Donnerstag still. Die Bank von England wiederrum warnt eindringlich vor den Folgen eines Brexits, der auch Risiken für die Weltwirtschaft berge.

Auf ihrer Sitzung am Donnerstag beließ die britische Notenbank den Leitzins bei 0,5 Prozent. Auch das Anleihen-Kaufprogramm im Volumen von 375 Milliarden Pfund bleibt bestehen. Bereits jetzt zeige sich, dass wegen der mit dem Votum einhergehenden Unsicherheit Investitionsentscheidungen in Großbritannien hinausgezögert würden, hieß es. Die Währungshüter diskutierten auf der geldpolitischen Sitzung Notfallpläne für den Fall eines Brexits. Ein EU-Austritt würde nach Ansicht mancher Experten die Notenbank zu einer Zinssenkung zwingen.  

Auch auf der Pressekonferenz der Schweizerischen Notenbank (SNB) ist kaum ein Wort so oft gefallen wie "Brexit". Und das aus gutem Grund - denn bei einem EU-Austritt Großbritanniens könnte der als "sichere Hafen" gefragte Franken deutlich an Wert gewinnen. Einen solchen Höhenflug wollen die Währungshüter jedoch verhindern - und stünden dafür mit Stützungskäufen am Devisenmarkt und notfalls auch einer weiteren Zinssenkung bereit. "Wir erwarten, dass es im Fall eines Brexits zu Turbulenzen kommen könnte", sagte SNB-Präsident Thomas Jordan am Donnerstag. "Wenn es dazu kommt, wird es in einer ersten Phase darum gehen, stabilisierend am Markt einzugreifen." Die Wahrscheinlichkeit eines britischen EU-Austritts sei in den vergangenen Tagen zwar gestiegen. Dennoch sei das derzeit nicht das Basisszenario der Notenbank. Großbritannien stimmt am kommenden Donnerstag über den Verbleib in der Staatengemeinschaft ab. Jüngste Umfragen lassen derzeit keinen klaren Trend erkennen.


Schweizer Notenbank hält Pulver trocken

Viele Investoren sind wegen der unabsehbaren Folgen eines Brexits besorgt und flüchten daher in stabile Anlagen wie den Franken. Dieser hat zum Euro seit dem Start der vergangenen Handelswoche fast drei Prozent an Wert gewonnen und die stärkste Aufwertung innerhalb einer Woche seit der Aufhebung des Mindestkurses Anfang 2015 verbucht. Ein starker Franken macht Schweizer Waren im Ausland teuer und bremst damit die exportorientierte Wirtschaft des Landes.

Im Kampf gegen eine Aufwertung setzt die SNB zum einen auf Negativzinsen von rekordtiefen minus 0,75 Prozent, um den Franken für Investoren im Vergleich zu anderen Währungen unattraktiv zu machen. Zudem steht die Notenbank für Interventionen am Devisenmarkt bereit. Sie kauft dabei beispielsweise Euro, um so den Franken zu schwächen. Eine Woche vor dem Brexit-Referendum hielten die Währungshüter ihr Pulver aber wie erwartet trocken: Das Zielband für den Referenzzins Dreimonats-Libor beließen sie unverändert bei minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent. Auch die Sichteinlagen der Banken bei der SNB werden weiterhin mit 0,75 Prozent belastet. Sollte es tatsächlich zu einem Brexit kommen, dürfte die SNB nach Einschätzung von Experten aber zum Handeln gezwungen sein.

Auch die japanische Notenbank wartet zunächst ab und lockert ihre Geldpolitik zunächst nicht weiter. Die Bank von Japan (BoJ) beließ den Leitzins bei minus 0,1 Prozent, das Wertpapier-Kaufprogramm wurde nicht aufgestockt. In Marktkreisen wurde damit gerechnet, dass die BoJ die geldpolitischen Zügel nun bei ihrer nächsten Sitzung im Juli weiter lockert. Zwar hatte Japan im ersten Quartal einen Rückfall in eine Rezession vermieden. Doch steht die Erholung auf wackeligen Füßen.

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