Bundesbank-Chef Weidmann hält sinkende Preise für möglich

Die Teuerungsrate könnte auch in Deutschland bald unter die Null-Linie geraten, warnt Bundesbank-Präsident Weidmann. Die Gefahr einer Deflation will er allerdings nicht an die Wand malen.

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Bundesbank-Präsident Jens Weidmann: „Die Inflationsrate könnte in den nächsten Monaten sogar unter Null sinken“. Quelle: Reuters

Frankfurt Der rasant fallende Ölpreis droht nach Einschätzung der Bundesbank die Teuerungsrate auch in Deutschland bald unter die Null-Linie zu drücken. Die bereits gesenkten Inflationsprognosen der Notenbanken dürften wegen des Verfalls der Preise für das Schmiermittel der Weltwirtschaft sogar noch unterschritten werden, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann am Montagabend vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). „Die Inflationsrate könnte in den nächsten Monaten sogar unter Null sinken.“

Ein Argument für eine starke Gegenreaktion der EZB – etwa in Form der von EZB-Chef Mario Draghi in Aussicht gestellten breit angelegten Staatsanleihenkäufe – sieht Weidmann dennoch nicht. Er erwartet, dass die Teuerungsrate für einige Zeit auf sehr niedrigem Niveau bleiben wird, dann aber allmählich steigt.

Die Ölpreis-Talfahrt hatte sich zuletzt beschleunigt. Nicht nur der Fracking-Boom in den USA steht hinter dem Preisrutsch. Auch eine weiterhin eher flaue Weltkonjunktur, die die Öl-Nachfrage begrenzt, und die anhaltende Uneinigkeit der OPEC-Staaten bei den Förderquoten sind Gründe für den Rückgang. Der Preis für die Nordsee-Sorte Brent fiel erstmals seit Juli 2009 unter die Marke von 60 Dollar je Fass (159 Liter).

Die Gefahr einer Deflation - also einer Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, schrumpfender Verbraucher-Nachfrage und rückläufigen Firmen-Investitionen - will Weidmann aber nicht an die Wand malen: „Eine für einige Monate unter Null liegende Inflationsrate stellt für mich noch keine Deflation dar.“ Dies wäre seiner Ansicht nach erst der Fall, wenn die Erwartungen fallender Preise sich hochschaukeln und dazu führen, dass ein sich selbst verstärkender Abwärtssog aus Teuerungsraten unter Null, schrumpfender Wirtschaftsleistung (BIP) und fallenden Löhnen entstehe. „Dieses Risiko ist weiterhin gering“, so Weidmann.


Kritik an Ankauf von Staatsanleihen

Die Bundesbank hatte bereits zuletzt davon gesprochen, dass wegen des sinkenden Ölpreises die Inflation 2015 deutlich geringer ausfallen könnte als bisher prognostiziert. Sie erwartet, dass die erst vergangene Woche vorhergesagte durchschnittliche Inflationsrate von 1,1 Prozent bei dauerhaft niedrigen Energiekosten auf rund 0,7 Prozent nach unten korrigiert werden könnte. Die Ursachen sehen die Frankfurter Geldhüter darin, dass die Lebenshaltungskosten der Privathaushalte wegen des fallenden Ölpreises sinken. Auf der Seite der Unternehmen macht sich der Preisverfall darüber hinaus in geringeren Produktionskosten bemerkbar.

Der Bundesbank-Präsident erneuerte seine Kritik an einem massenhaften Ankauf von Staatsanleihen - im Notenbankjargon Quantitative Easing (QE) genannt. „Umfassende Staatsanleihekäufe könnten ungeachtet der geldpolitischen Motivation als Solvenzgarantie für hochverschuldete Staaten verstanden werden, mit weitreichenden Folgen für die Geldpolitik“, warnte Weidmann.

Dadurch könnte der Reformeifer in den Euro-Ländern gebremst werden. Zudem könnte es an Regierungen und Parlamenten vorbei zu einer Umverteilung der Risiken zwischen den Steuerzahlern der 18 Mitgliedsstaaten der Währungsunion kommen. „Es sei denn, die Käufe werden auf Länder mit höchster Bonität beschränkt oder jede Notenbank kauft auf eigenes Risiko Anleihen des eigenen Landes.“

Draghi, sein Stellvertreter Vitor Constancio und EZB-Chefökonom Peter Praet hatten zuletzt die Tür für Staatsanleihekäufe der EZB sperrangelweit aufgemacht. Viele Akteure an den Finanzmärkten gehen inzwischen davon aus, dass die EZB trotz der Kritik aus Deutschland schon bald in die Vollen geht, um die maue Konjunktur mit einer künstlich angeheizten Inflation aufzupäppeln. Die nächste Sitzung des EZB-Rats zu diesem Thema ist für den 22. Januar terminiert.

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