Bundesbank-Studie Ultralockere Geldpolitik nützt auch den Armen

Kritiker werfen der EZB vor, dass ihre ultralockere Geldpolitik die Ungleichheit erhöht. Diesen Vorwurf weist die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht zurück – und kommt zu überraschenden Schlüssen.

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Dass die Niedrigzinsen nur Wohlhabenden nützen, sei unwahrscheinlich, so eine Studie der Bundesbank. Auch armen Europäern kommen sie zugute, weil sie die Konjunktur ankurbeln. Quelle: dpa

Bundesbank-Chef Jens Weidmann ist einer der schärfsten Kritiker der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Wie kaum ein anderer Vertreter aus dem EZB-Rat betont er stets die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen.

Doch auch er und die Bundesbank teilen nicht alle Kritikpunkte. Ein häufiger Vorwurf lautet: Die EZB würde mit ihrer ultralockeren Geldpolitik zu höherer Ungleichheit beitragen. In ihrem aktuellen Monatsbericht tritt die Bundesbank dieser Kritik entgegen. „Es erscheint sehr zweifelhaft, dass die expansiven Sondermaßnahmen der letzten Jahre in der Gesamtschau die Ungleichheit erhöht haben“, heißt es darin. Mit Blick auf die Einkommensverteilung „dürften die unkonventionellen Maßnahmen für sich genommen die Ungleichheit eher verringert haben“, folgert die Bundesbank. Kritiker werfen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, mit ihrem Billiggeld-Kurs Sparer zu enteignen sowie über steigende Bewertungen von Aktien und Immobilien lediglich Reiche noch reicher zu machen.

Seit der Finanzkrise hat die EZB die Leitzinsen im Euro-Raum bis auf null Prozent gesenkt und einen Strafzins für Einlagen der Banken eingeführt. Außerdem kauft sie für monatlich 80 Milliarden Euro vor allem Staatsanleihen der Euro-Länder. Dies wirkt sich auf die Vermögens- und Einkommensverteilung aus.

Durch die Anleihekäufe beispielsweise drückt die EZB die Zinsen für Staatspapiere. Das führt dazu, dass Investoren auf andere Anlageformen wie etwa Aktien oder Immobilien ausweichen – und dort die Preise steigen.
Ob sich dadurch die Ungleichheit verstärkt, hängt etwa davon ab, wer Immobilien besitzt.

In einigen Euro-Ländern ist die Quote der Hausbesitzer sehr hoch. Auch viele ärmere Leute besitzen eine Wohnung und verschulden sich dafür besonders stark. In einem solchen Fall können Niedrigzinsen die Ungleichheit sogar reduzieren. Insgesamt ist aus Bundesbank-Sicht der Effekt auf die Vermögensverteilung in der Euro-Zone eher unklar.

Was aus Sicht der Bundesbank-Ökonomen unterschätzt wird, ist der Effekt der Geldpolitik auf die Einkommensverteilung. Die Maßnahmen würden sich nicht nur auf Vermögenspreise auswirken, sondern auch auf die konjunkturelle Entwicklung, das Vertrauen der Marktteilnehmer und vor allem die Beschäftigung.


Die Folgen einer Rezession würden vor allem gering qualifizierte, ärmere Menschen treffen, denn ihre Arbeitsplätze seien besonders unsicher. „Geldpolitische Maßnahmen, die das Arbeitsplatzrisiko senken, haben daher großes Potenzial, Verteilungsungleichheit zu senken”, folgert die Bundesbank.

Grundsätzlich gibt es bei Studien zu den Effekten der Geldpolitik immer ein Problem: Es gibt keine Parallelwelt, mit der sich der Status quo vergleichen lässt. Durch die Finanzkrise hat sich die wirtschaftliche Situation in den Industrieländern massiv verschlechtert. Wegen dieser Verschlechterung haben die EZB und andere Notenbanken überhaupt erst reagiert. Deshalb muss unterschieden werden zwischen Veränderungen der Verteilung, die auf das verschlechterte wirtschaftliche Umfeld zurückzuführen sind und Effekten die direkt mit der Geldpolitik zu tun haben.

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