Der erste ausgeglichene Bundeshaushalt ohne neue Schulden seit mehr als vier Jahrzehnten steht. Der Haushaltsausschuss des Bundestages beschloss am frühen Freitagmorgen mit den Stimmen von Union und SPD den Etat für 2015. Er sieht erstmals seit 1969 den Verzicht auf neue Kredite vor. Die „schwarze Null“ soll auch in den Folgejahren stehen - trotz der von der schwarz-roten Koalition geplanten zusätzlichen Milliarden-Investitionen.
In den vierzehnstündigen Schlussberatungen der sogenannten Bereinigungssitzung drückte die Koalition die Gesamtausgaben im Vergleich zum Regierungsentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) um 400 Millionen auf nun 299,1 Milliarden Euro.
Die Investitionen wurden dennoch um 364 Millionen Euro auf 26,453 Milliarden Euro angehoben. Endgültig verabschiedet werden soll der Etat für 2015 im Bundestag Ende November. Die Zinsausgaben sinken nach Angaben der Grünen nochmals um 1,33 Milliarden Euro.
Schäubles Finanzplan bis 2018
2015 will der Bund erstmals seit 1969 ohne neue Schulden auskommen. Auch in den Folgejahren soll die „Null“ stehen. Für 2014 sind noch neue Kredite von 6,5 Milliarden Euro geplant. Überschüsse sind in den Etatplänen nicht veranschlagt.
Sie sollen 2015 nur um 1,0 Prozent auf 299,5 Milliarden Euro steigen. 2016 klettern sie um 3,7 Prozent, in den Folgejahren um die jeweils drei Prozent auf 329,3 Milliarden Euro 2018. Der Zuwachs liegt unter dem Plus der nominalen Wirtschaftsleistung.
Die Investitionsquote sinkt in der mittelfristigen Finanzplanung weiter. Dieses Jahr sind 25,5 Milliarden Euro geplant. Gegen Ende des Finanzplans stagnieren sie zwischen 27 und 28 Milliarden Euro. Gemessen am wachsenden Ausgabenrahmen sinkt damit der Anteil der Investitionen im Haushalt.
Für Rentenkassen, Gesundheitssystem und Familienleistungen ist 2015 ein Anstieg auf gut 153 Milliarden Euro geplant, bis 2018 sollen es fast 172,3 Milliarden sein. Für Bildung, Wissenschaft und Forschung stehen 2015 insgesamt fast 21,3 Milliarden Euro bereit, 2018 sollen es fast 24 Milliarden Euro sein.
Die Länder sollen bis 2017 um insgesamt 6 Milliarden Euro entlastet werden. Dazu gehören die komplette Finanzierung des Bafög durch den Bund, mehr Geld für Kinderbetreuung und eine weitere Stützung von Hochschulen. Die Kommunen erhalten von 2015 bis 2017 jeweils 1 Milliarde Euro zusätzlich.
Die Steuereinnahmen sollen zwischen 2014 und 2018 von 268,2 Milliarden auf 311,8 Milliarden Euro steigen. 1,3 Milliarden Euro sind weiter aus der Brennelementesteuer veranschlagt. Aus der von Deutschland und anderen EU-Staaten angestrebten, aber ungewissen Finanztransaktionssteuer sind noch keine Einnahmen unterstellt. 21 Milliarden Euro sollen 2015 aus anderen Quellen kommen - etwa aus dem Bundesbank-Gewinn, der auch zur Schuldentilgung genutzt wird.
Eine Altlastentilgung mit Steuergeldern wird vertagt. Es soll nur der Anteil der Schulden an der Wirtschaftsleistung sinken. Bis Ende 2017 soll die Schuldenquote auf unter 70 Prozent und in zehn Jahren unter 60 Prozent gedrückt werden.
Auf dem Papier besteht für die Koalition Spielraum für mehr Kredite, ohne gegen die Schuldenbremse zu verstoßen. In den vergangenen Jahren hat sich der Bund eine Art Puffer geschaffen. Auf diesem „Kontrollkonto“ werden sich bis Ende 2015 rund 100 Milliarden Euro als Positivbuchung angesammelt haben. Denn wird die mögliche Verschuldungsgrenze in einem Jahr unterschritten, wird dies gutgeschrieben. Eine Überschreitung führt zur Belastung des Kontos. Der Saldo soll aber Ende 2015 auf „Null“ gestellt werden. Das „Kontrollkonto“ kann danach jedoch wieder gefüllt werden.
Union und SPD mussten in den Haushaltsberatungen neue Etatlöcher auch in Folge der Konjunkturabschwächung stopfen. Demgegenüber profitiert der Bund von den extrem niedrigen Zinsen für alte Kredite sowie von Rückzahlungen der EU. Auch ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter stabil.
Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU) erklärte: „Die Koalition hat heute haushaltspolitische Geschichte geschrieben.“ Belastungen in einer Größenordnung von gut zwei Milliarden Euro durch höhere Ausgaben etwa für das Arbeitslosengeld II und das Elterngeld sowie aus der Steuerschätzung seien vor allem durch niedrigere Zinsen und weniger Ausgaben beim Betreuungs- und Wohngeld aufgefangen worden.
SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs sprach von einem historischen Moment. Die zehn Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in den Jahren 2016, 2017 und 2018 seien verankert. Daneben würden wichtige Impulse etwa für Kultur, die Bewältigung internationaler Krisen und Ebola, die Bundespolizei, Migrationsberatung, Hochwasserschutz und Verbraucherschutz gesetzt.
Die Opposition wirft dem Regierungsbündnis „viel Show und wenig Substanz“ vor. Grünen-Experte Sven-Christian Kindler monierte, der Etat 2015 sei nicht ausgeglichen. Schäuble verstecke seine Schulden in Schattenhaushalten. Die Bundesregierung verschulde sich bei den Krankenkassen und der Rentenversicherung und bei der Zukunft durch fehlende Investitionen: „Dieser Haushalt hat eine schillernde Fassade, aber dahinter bröckelt es gewaltig“.