Chancen in Fernost Deutsche machen gute Geschäfte in Vietnam

Seite 2/2

"Preußen Asiens"

Siemens würde gern weiter gehen – und in Vietnam Fachkräfte für ganz Asien ausbilden. Allerdings warten die Deutschen seit acht Monaten auf eine Genehmigung für ein Ausbildungszentrum; Landeschef Thai Lai Pham weiß auch nicht genau, warum. Wenn die Bayern ein Diagnostikgerät verkaufen, müssen sie eine Lizenz beantragen – und zwar für jedes jener 800 medizintechnischen Produkte, die im Jahr nach Vietnam gehen. „Und bei diesem hohen Maß an Bürokratie fragen uns die Behörden dann allen Ernstes, warum wir nicht mehr investieren“, sagt Thai Lai Pham.

Als „Preußen Asiens“ werden die Vietnamesen oft tituliert. Doch noch so viele kluge und gute Leute können nicht wettmachen, woran Vietnam krankt: Ineffizienz, Bürokratie, Korruption – allesamt Faktoren, derentwegen das Land im Mittelfeld des „Doing-Business-Ranking“ der Weltbank auftaucht, hinter Russland und China, weit ab von Konkurrenzstandort Thailand.

Bremsklotz der Entwicklung

Größter Bremsklotz der Entwicklung ist die verschleppte Privatisierung: Staatsbetriebe wie die energieintensiven Stahlerzeuger sind nicht nur wenig wettbewerbsfähig, sondern belasten mit ihren Verlusten den defizitären Staatshaushalt. Zusammen mit den Schulden der Unternehmen steht das Land zu über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei Gläubigern in der Kreide, was wenig Spielraum für staatliche Investitionen lässt.

Mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2007 hat die kommunistische Regierung in Hanoi versprochen, die Wirtschaft radikal zu entstaatlichen – und die Hälfte der momentan 4000 staatlichen Unternehmen zu verkaufen. Nur hat sich bis heute nichts getan. Dabei fällt fast jeder der Staatsbetriebe durch eklatante Ineffizienz auf. An die Privatisierung wagt sich die Regierung nicht: Unternehmen könnten ja Mitarbeiter entlassen, wenn sie den Druck des Marktes spüren.

Politik und Wirtschaft

Hinzu kommt die landesübliche Vetternwirtschaft: Jeder hohe Beamte sitzt auch in irgendeiner Chefetage eines Staatsbetriebs. Im real existierenden Sozialismus sind Politik und Wirtschaft so eng verflochten und so lukrativ, dass Privatisierung in niemandes Interesse ist.

Dennoch tobt im Land ein Machtkampf zwischen der Kommunistischen Partei und dem Ministerpräsidenten Nguyen Tan Dung, von dem es auch heißt, er sei einer der reichsten Männer in Vietnam. In der Öffentlichkeit tritt er mit Vertretern der Wirtschaft auf, verspricht die Öffnung und Deregulierung des Staats, um politisch zu punkten.

Korruption

Derweil kommt an Korruption praktisch kein Unternehmer vorbei. „Eine Schmiergeldzahlung für Baugenehmigungen erwarten die Beamten in Vietnam einfach“, heißt es in der deutschen Diaspora in Hanoi. Das Problem lösen die Investoren zumeist, indem sie lokale Anwälte gegen Honorar mit der Beschaffung von Genehmigungen beauftragen.

„Vietnam ist sicherlich kein einfacher Markt“, sagt Hubertus Pleister, der aus Singapur die Asienabteilung der KfW-Tochter DEG leitet. Ein nicht unwesentliches Problem: Ausländische Banken können keinen Grund und Boden als Sicherheiten erhalten, denn der gehört dem Staat. Außerdem habe man es in Vietnam mit einem wenig ausgebildeten Rechtssystem zu tun, auch die Sprache stelle eine große Schwierigkeit dar. „Trotz durchaus vorhandener Chancen fällt es Ausländern nicht leicht, Risiken in diesem Land adäquat einzuschätzen“, sagt Pleister, dessen DEG in Vietnam unter anderem die Expansion des deutsch-chinesischen Lederherstellers Jsa Tan Tec und einen lokalen Windparkbetreiber finanziert.

Alltag in Vietnam

Auch für Frank Hopfenbach ist Vietnam kein Selbstläufer gewesen – wiewohl der Lkw-Trip vom Süden in den Norden ohne Komplikationen ablief. Doch dass Gaslieferant Messer überhaupt sieben der zehn eigenen Auflieger quer durchs Land kurven lassen muss, hat einen Grund: Neben seiner CO2-Anlage nördlich von Ho-Chi-Minh-Stadt steht eine Bioethanol-Fabrik still, die eigentlich längst hätte in Betrieb sein sollen.

Die Regierung hat entgegen der Zusagen bis heute keinen Biokraftstoff eingeführt, womit der Businessplan der Deutschen nicht funktioniert. „Wir hatten geplant, dass wir das CO2 aus dieser Anlage einfach nebenan nachreinigen und an Kunden der Nahrungsmittelindustrie verkaufen“, erläutert Manager Hopfenbach.

Pepsi und Coca-Cola beziehen Kohlendioxid von den Hessen, die das Gas so rein liefern, wie es kein lokaler Hersteller kann. Da Messer das Gas erst teuer von Kunden im Norden herankarren muss, sinken die Profite – und die Fabrik ist nur zu 40 Prozent ausgelastet. „Außerdem belasten die Fahrten über die Schlaglochpisten unser Transportgerät“, sagt Hopfenbach. Wie sich der Alltag in Vietnam anfühlt, weiß er nun.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%