Davos Vernebelter Blick vom Gipfel

Langjährige Teilnehmer des World Economic Forums (WEF) behaupten, dass sich die Welt immer genau anders entwickelt, als die globale Elite es bei ihrem jährlichen Brainstorming in Davos voraussagt.

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Christine Lagrange ist im Hinblick auf 2017 optimistisch. Quelle: dpa

Davos Sollte das auch in diesem Jahr zutreffen, müssen wir uns nach dem Brexit und der Trump-Wahl in den USA auch in 2017 auf größere Überraschungen gefasst machen. Obwohl Spitzenpolitiker beim traditionellen Wirtschaftsausblick am letzten Tag des Forums alles taten, um ein wenig Optimismus zu verbreiten. Das mulmige Gefühl, das insbesondere viele Manager umtreibt, konnten sie damit nicht vertreiben.

„Wir haben zum ersten Mal seit vielen Jahren unsere Wachstumsrate nicht nach unten korrigieren müssen“, verkündete stolz Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Fonds rechnet in 2017 mit einem Plus von 3,4 und im nächsten Jahr gar mit einem Zuwachs von 3,6 Prozent für die Weltwirtschaft. Nicht nur in Japan und der Eurozone laufe es besser, sagte Lagarde, vor allem in den USA hätten sich die Wachstumsaussichten verbessert. Die Französin führte den konjunkturellen Aufwind auf die vom neuen US-Präsidenten angekündigten Steuersenkungen und die geplanten Investitionen in die Infrastruktur zurück. „Das wird die US-Wirtschaft kurzfristig stimulieren.“

Unterstützung für diese Prognose bekam Lagarde von Blackrock-Chef Larry Fink. „In Amerika ist die Zuversicht spürbar gestiegen, besonders bei kleineren Unternehmen“, sagte der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters. Die Amerikaner hätten gemerkt, dass sie mit ihrer Wahl die Politik beeinflussen könnten. „Das lässt sie optimistischer in die Zukunft blicken“, sagte Fink.

Nicht ganz so optimistisch war Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: „Wir haben es mit einer Reihe von Unsicherheiten zu tun. Das gilt für die anstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland, aber auch für die geopolitische Unordnung und mögliche Handelskonflikten.“ Aber auch Schäuble wollte nicht zu pessimistisch klingen. Er sei zuversichtlich, dass man mit Großbritannien einen Brexit-Deal aushandeln könne, der keine großen wirtschaftlichen Erschütterungen nach sich ziehen werde. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die USA unter Präsident Trump China die Führung im Freihandel überlassen werden“, sagte der CDU-Politiker. Da war schon eine gehörige Portion Zweckoptimismus im Spiel.

So räumte auch Lagarde ein, dass die Risiken in 2017 beträchtlich sind. „Wenn es bei Steuern, im Handel und bei der Finanzaufsicht zu einem globalen Wettlauf nach unten kommen sollte, dann haben wir die nächste Krise“, prophezeite die IWF-Chefin. Dabei sind die Gefahren einer Zinswende in den USA und eines starken Dollars für zum Teil hochverschuldete Unternehmen und Verbraucher in den Schwellenländern noch gar nicht mitgerechnet.

Und Fink erinnerte noch daran, dass durch die dauerhaften Niedrigzinsen die private Altersvorsorge in einigen Industrieländern gefährdet sei. „Die größte Gefahr sehe ich jedoch in der Jobvernichtung durch die neuen Technologien“, sagte der Amerikaner. Die Schwellenländer könnten angesichts der rasanten Automation heute nicht mehr dem Beispiel Chinas folgen und bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung vor allem auf billige Arbeitskräfte setzen.

So kam es, wie es angesichts der vielen Unwägbarkeiten kommen musste: Aus dem Pfeiffen im Walde wurde am Ende doch ein vorsichtiger Pessimismus. Aber vielleicht beweist sich ja auch hier die alte Davos-Weisheit: Es kommt immer anders als die „mover and shaker“ in Davos denken.

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