Denkfabrik Amerika mutiert zur Volksrepublik

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Besonders viele der toxischen Papiere sind in Deutschland gelandet, und das nicht nur bei den Landesbanken. Dadurch sind die Banken geschwächt, und die Kreditvergabe wird behindert. Die Bundesregierung hat beschlossen, zehn Milliarden Euro für den Kauf solcher Papiere aufzuwenden. Wenn der Aufkauf zum Buchwert geschieht, wie er in den Bilanzen steht, wird die Bundesrepublik mit einem Schlag mindestens etwa 3,3 Milliarden Euro, vielleicht sogar das Doppelte verlieren. Die Bilanzwerte stammen nämlich noch vom Juli 2008 oder früheren Perioden, unter anderem weil die EU den Banken im Herbst letzten Jahres nach der Pleite von Lehman Brothers die Möglichkeit gegeben hatte, die Papiere rückwirkend vom Handels- in das Anlagebuch umzuschreiben.

Mutation des Kasino-Kapitalismus zur Volksrepublik

Die Tragweite dieser Ereignisse können wir heute noch gar nicht ermessen. Zum einen ist das deutsche Bankensystem sehr viel mehr geschädigt, als es die Bankbilanzen bislang zeigen. Kaum mehr als 40 Prozent der nötigen Abschreibungen auf die toxischen Papiere sind bislang realisiert. 60 Prozent stehen noch aus, was bedeutet, dass die deutschen Banken mehr als die Hälfte ihres Eigenkapitals (175 Milliarden von 305 Milliarden Euro) verlieren.

Zum anderen hat Amerika einen solch massiven Schlag erhalten, dass es noch lange am Boden liegen bleiben könnte. Die Mutation des Kasino-Kapitalismus zur Volksrepublik ist atemberaubend. Wolfgang Schäuble hat vielleicht ein wenig übertrieben, wenn er die Finanzkrise wichtiger für die Weltgeschichte einstuft als den Fall der Mauer. Dennoch gehen die Dimensionen der Krise weit über das hinaus, was man noch vor Monaten für möglich gehalten hätte. So positiv die Börsenmeldungen und Wachstumszahlen in letzter Zeit waren, so schockierend sind die Hintergründe der Krise.

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