Wie kommt es zu dieser Diskrepanz zwischen aktueller Stimmung, volkswirtschaftlicher Theorie und Empirie auf der einen Seite und den amtlichen BIP-Daten auf der anderen? Eine Möglichkeit wäre, dass die amtlichen Daten das Wachstum unterzeichnen. Dazu muss man wissen, dass es sich bei den amtlichen Zahlen um Schätzungen handelt; eine vollumfängliche Beobachtung wäre nicht möglich.
Für die These der Unterschätzung spricht, dass einiges im amtlichen Rechenwerk in den vergangenen Jahren vom langjährigen Muster abgewichen ist. So ist der Anstieg der Wohnungsbauinvestitionen deutlich geringer, als es ein Blick auf die Statistik der fertiggestellten Wohnbauten nahelegt. Auch sind die Importe 2012 und 2013 höher, als sie es angesichts ihrer gesamtwirtschaftlichen Treiber (Exporte, Investitionen, privater Konsum) sein dürften. Da die Import- und Exportzahlen bei Grenzübertritt grundsätzlich korrekt erfasst werden, ist dies ein Indiz für eine Unterschätzung von Konsum und Investitionen. Bei den Investitionen der Betriebe in Kraftfahrzeuge wies die Statistik 2012 einen Einbruch aus, der sich anhand der Zulassungsstatistik nicht nachvollziehen lässt.
Und schließlich bleibt da noch der unerklärliche Einbruch des Produktivitätswachstums: Die Zunahme der Beschäftigung bei gleichzeitig mauem Produktionsanstieg impliziert, dass die Arbeitsproduktivität seit 2012 nicht viel mehr als stagniert hat. Zuvor hatte das Produktivitätswachstum jahrelang bei durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr gelegen. Da Beschäftigungsdaten wohl alles in allem korrekt erfasst sind, wäre auch dieses „Rätsel“ gelöst, wenn die gesamtwirtschaftliche Produktion in Wirklichkeit höher gewesen wäre.
Vielleicht gibt es auch andere Erklärungen für die Diskrepanzen. In jedem Fall wird es Zeit, dass sich Deutschlands Volkswirte damit auseinandersetzen!