Denkfabrik Gesicht zeigen in der Krise

Wie sich Manager in Zeiten der Krise besser verkaufen – und warum sie Probleme niemals unter den Tisch kehren sollten. Ein Gastbeitrag von Susanne Müller-Zantop.

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Susanne Müller-Zantop (52) leitet die CEO Positions AG in Zürich und berät Manager bei ihrer Außendarstellung. Sie hat unter anderem für Vorstände bei IBM, Siemens und Adecco gearbeitet.

Am 10. September 2008 beschloss die Führungscrew von Lehman Brothers, eine optimistische Aussage zu Geschäftsverlauf und Finanzierungsbedarf der Bank zu machen, um das Vertrauen ihrer Geschäftspartner zu erhalten. In einer Telefonkonferenz mit Investoren betonten die Manager, man benötige kein zusätzliches Kapital. Einen Tag später musste das 158 Jahre alte Unternehmen Insolvenz anmelden. Nun ermitteln die US-Aufsichtsbehörden wegen Irreführung der Investoren. Hätte sich die Situation anders entwickelt, wenn beide die Wahrheit gesagt hätten? Vielleicht nicht – die Bank hätte ihr Image aber nicht völlig ruiniert und so bessere Chancen auf ein späteres – wie auch immer geartetes – Comeback gehabt.

Lehman ist kein Einzelfall. In den letzten Wochen häufen sich die Fälle, in denen Manager falsch oder gar nicht kommunizieren. In Krisenzeiten kann dadurch das ganze Unternehmen gefährdet werden. Was also müssen die Verantwortlichen anders machen?

1. Probleme offenlegen

Die Öffentlichkeit ist stark sensibilisiert. Sobald dem Management daher ein Vorkommnis im Unternehmen bekannt wird, das Sprengstoff enthält, muss es öffentlich gemacht werden – es kommt ohnehin irgendwann ans Licht. Die UBS entliess im Juli 2006 überraschend CEO Peter Wuffli, zunächst war unklar, weshalb. Man setzte Marcel Rohner ein und hat diesen unbeschadet durch die Turbulenzen im Kreditmarkt an der Spitze halten können.

2. Als CEO die Verantwortung übernehmen

Spitzenmananger, die öffentlich Verantwortung für das Geschehen im Unternehmen übernehmen, erhalten eine enorme Glaubwürdigkeitsgutschrift. Wie es nicht laufen sollte, demonstriert der neue KfW-Chef, der eine Verantwortung für die 350-Millionen-Euro-Überweisung an die bereits bankrotte Bank Lehman Brothers mit den Worten ablehnte: „Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich nach elf Arbeitstagen in einer neuen Bank noch nicht mit allen Einzelprozessen im Haus so vertraut bin, dass ich hier hätte frühzeitig eingreifen können.“

3. Team mit dem Aufsichtsratschef bilden

Kaum ein Vorstandschef kann sich halten, wenn ein Dissens zwischen Aufsichtsrat und Management sichtbar wird. Von Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld wurde bekannt, dass er sich heftig (und vor Dritten) mit Heinrich von Pierer über die Siemens-Strategie im Umfeld des Korruptionsskandals gestritten hatte. In der folgenden Aufsichtsratssitzung wurde sein Vertrag nicht verlängert. Laut wehrte sich Conti-CEO Manfred Wennemer gegen die schnelle Verbindung von Continental mit der Schaeffler Gruppe, der sein Aufsichtsratschef Hubertus von Grünberg Sympathie entgegenbrachte. Wenige Wochen später war Wennemer nicht mehr im Amt.

4. Häppchenweise gute Fakten streuen

Schweigen sät Misstrauen. Es gilt, mit positiven Fakten und Fortschrittsmeldungen vor die Presse zu treten. Ein gutes Beispiel dafür lieferte Telekom-CEO René Obermann, als er jüngst an einem Tag voller Katastrophenmeldungen ein neues Vorstandsmitglied vorstellte, dass sich ab sofort um die Sicherheit der Telekom-Daten kümmert. Die Botschaft: Wir lernen aus dem Skandal – und handeln. Ein Negativ-Beispiel ist Thomas Middelhoff. Er vermeidet persönliche Auftritte für Arcandor, widersprüchliche Strategie-Aussagen rufen Finanzaufsicht und Aktionärsschützer auf den Plan. Kaum etwas hört man über die positiven Entwicklungen, den Erfolg beim Umbau der Flagschiff-Warenhäuser oder den Fortschritt bei der Reorganisation der kleinen Warenhäuser.

5. Corporate Governance demonstrieren

Firmen, die sich um die Einhaltung strenger Corporate Governance Grundsätze und Anti-Korruptions-Regeln bemühen, wird nun sichtbar mehr Vertrauen zuteil als anderen. Auch die Übernahme sozialer oder ökologischer Verantwortung sind ein zunehmendes Plus bei der Bewertung durch Aktionäre und Stakeholder, siehe zuletzt Adidas und Fresenius.

6. Öffentliche Auftritte trainieren

So routiniert Manager gegenüber Analysten und Mitarbeitern auftreten, so ungeschickt benehmen sie sich häufig in der Öffentlichkeit. Man sieht Hände, die sich an das Rednerpult klammern, an vor Spannung und Druck weiße Fingerknöchel. Untersuchungen zeigen aber, dass die gesprochene CEO-Botschaft nur sieben Prozent dessen ausmacht, was bei den Stakeholdern ankommt. Wer Stimme (32 Prozent) und Körpersprache (55 Prozent) trainiert, kann seine Kernbotschaften besser transportieren.

7. Nach innen kommunizieren

Gerade in Krisenzeiten sind regelmäßige Informationen nach innen notwendig. Denn jeder Mitarbeiter kommuniziert nach außen: Freunde, Familie, Kunden sind Stakeholder. Barry Callebaut-CEO Patrick de Maesenaire etwa informiert jedes Quartal alle Mitarbeiter zum Teil per Videobotschaft, diese stellen die Fragen. Novartis-Chef Daniel Vasella stellt sich den Mitarbeiter-Fragen alle drei Monate in der Cafeteria auf dem Campus in Basel. Diese Routine im offenen Umgang zahlt sich aus.

9. Internet für Kernbotschaften nutzen

Die Krise ist DER Zeitpunkt für offensivere Kommunikation über das Internet. Website, Portale, YouTube und Foren erlauben direkte Interaktion und Positionierung der Kernbotschaften, schließlich ist der Internet-Auftritt für viele Stakeholder, auch Meinungsmacher, eine wichtige Anlaufstelle. UBS etwa bietet auf seiner Homepage „News Alerts“ an, einen Audiocast zur Pressemitteilung des Tages, Videosequenzen zu Finanzthemen. Der CEO von Syngenta, Michael Mack, zeigt sich im gefilmten Interview direkt auf der Homepage. Gesicht zu zeigen ist das Beste, was ein Unternehmer im Moment tun kann.

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