Der Exodus der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen hat mehrere, ganz unterschiedliche Gründe. Der Wichtigste: Wachsen können die Unternehmen in Zukunft nur mit neuen Produkten, die genau zu den neuen Kunden passen: Wer könnte solche Produkte besser entwickeln als Forscher vor Ort, die deren Bedürfnisse genau kennen? Riemensperger: „Wir müssen dahin gehen, wo die Kunden sind.“
Verstärkt wird der Trend auch durch die Alterung der westlichen Gesellschaften. „Wir erleben gerade in den westlichen Märkten einen zunehmenden Mangel an Fachkräften – das ist eine große Gefahr für das Wachstum vieler Unternehmen“, warnt Bernd Brunke, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger. Wegen der alternden Bevölkerung in vielen Ländern würden bis 2030 weltweit 200 bis 300 Millionen qualifizierte Fachkräfte fehlen, vier Millionen allein in Deutschland. „Die Unternehmen werden ihre globale Personalstrategie überdenken müssen, die Schwellenländer bieten westlichen Unternehmen hervorragende Möglichkeiten im Personalbereich“, sagt Berger-Partner Tim Zimmermann.
So global die meisten deutschen Großkonzerne sind – nicht alle Branchen haben den Sprung in die Globalisierung 2.0 geschafft: „Bei der Consumer-IT ist der Zug für deutsche Unternehmen angesichts digitaler Giganten aus den USA oder Fernost längst abgefahren“, sagt Accenture-Chef Riemensperger. „Aber IT im Kontext unserer Leitbranchen ist eine Riesenchance für Deutschland als Volkswirtschaft und hat das Zeug zum Exportschlager.“
Kleine und mittelständische Unternehmen haben bei der Internationalisierung ihrer Geschäfte noch Nachholbedarf: 800.000 Mittelständler, die jenseits der Landesgrenze Geschäfte machen, gibt es hierzulande nach den Statistiken des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) – gerade mal ein Viertel der Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern und weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Zwar entfallen 16 Prozent der Mittelstandsumsätze auf Im- und Exporte, doch nur vier Prozent der im Ausland engagierten Mittelständler leisten sich ein Tochterunternehmen außerhalb Deutschlands – und wenn, dann eher im EU-Ausland als in den Wachstumsmärkten wie Brasilien, Russland, Indien oder China.
Von dort kommt auch die nächste Herausforderung: neue Weltkonzerne, die den bisherigen Big-Playern den Rang ablaufen könnten (siehe Seite 65). Riemensperger: „Auf dem Globalisierungsspielfeld laufen neue starke Mannschaften auf.“