"Die Weltverbesserer" Diese Ökonomen haben unsere Welt geprägt
Sie prägten mit ihrem Denken unsere Welt, sind heute allerdings fast vergessen oder werden gerade erst wiederentdeckt: Lisa Nienhaus' Buch „Die Weltverbesserer“ stellt Politiker und Ökonomen vor, die unser Leben verändert haben. Einige Beispiele zusammengefasst.
Korekiyo Takahashi (1854-1936)
Takahashi kam 1854 im heutigen Tokio zur Welt. Als unehelicher Sohn eines Landschaftsmalers genoss er laut seinem Biographen weder Schulausbildung noch Studium. Trotzdem brachte er es zu einem der einflussreichsten Finanzpolitiker Japans, war insgesamt sieben Mal Finanzminister, außerdem Notenbank- und Regierungschef. Sein Schaffen wirkt bis heute nach. Japans Ministerpräsident, Shinzo Abe, hat sich mit seinem aktuellen Wirtschaftsprogramm – bekannt als „Abenomics“ – an Takahashis Ideen orientiert.
Während der Weltwirtschaftskrise hat Takahashi die keynesianische Politik eingeführt – noch bevor John Maynard Keynes seine „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ publizierte. Nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 setzte Japan zuerst eine Austeritätspolitik durch – wie andere Länder auch. In der Folge stieg der Kurs des Yen an und die Exporte gingen zurück. Als Takashi 1931 das Amt des Finanzministers zum siebten und letzten Mal antrat, schaffte er die Wende: Unter ihm trennte sich Japan vom Goldstandard, schuf Beschäftigungsprogramme und rüstete das japanische Militär auf – finanziert hatte er diese Ausgaben über die Notenpresse; mit dem frischen Geld kaufte er Staatsanleihen.
Allerdings kam auch diese Politik an ihre Grenzen. Im Februar 1936 wurde er deswegen von einem Trupp Soldaten erschossen und anschließend zerhackt. Der 81-Jährige galt bis dahin als das „letzte Bollwerk gegen den Militarismus“. Nach seinem Tod rutschte Japan endgültig in die Militärdiktatur ab.
Foto: „Korekiyo Takahashi 2“, Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
Bild: Creative Commons
Ibn Khaldun (1332-1406)
Ibn Khaldun kam in Tunis zur Welt und wurde an dem Hof von Maghreb, am Hof von Granada und in Kairo Richter und Diplomat. Er gilt als der Begründer der Ökonomie in der islamischen Welt und untersuchte vor allem, warum Weltreiche entstehen und wieder zerfallen. Er fand eine bestimmte Entwicklungslogik, die von den Nomaden ausging, denen er Tugenden wie eine ausgeprägte Solidarität und Fleiß zuschrieb. Diese ermöglichten ihnen, Städte zu erobern und ihre Macht auszuweiten. Spätere Generationen waren vom Luxus verwöhnt und sagten sich von der Stammessolidarität los. Zudem finanzierten sie ihren zunehmenden Reichtum, indem sie die einfache Bevölkerung stärker besteuerten, als ihre Vorfahren.
Während im Aufschwung der Herrscher den Wohlstand aller beförderte, schwächten Gier und Willkürmaßnahmen der späteren Generationen das Gesellschaftsgefüge, sodass der Staat irgendwann so schwach wurde, dass er zerfiel. Seine Beobachtungen belegte er mit zahlreichen historischen Beispiele.
Foto: „Ibn Khaldoun-Kassus“ von Kassus - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons.
Bild: Creative Commons
János Kornai (1928)
János Kornai wurde als Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts in Ungarn geboren. 1944 wurde sein Vater Opfer der Nazi-Gräueltaten, weswegen er sich Kornai ungarischen KP anschloss und dort bald aufstieg. Dass aus einem flammenden Mitglied ein scharfzüngiger Kritiker des Sozialismus innerhalb der Sowjetunion werden sollte, erstaunt. Er distanzierte sich von dem Sowjet-Gedankengut und der Partei, als er von den politischen Gefangenen in Ungarn erfuhr.
Schon 1956 stellte er in seiner Dissertation „Überzentralisierung“ die Mängel heraus, die die Sowjetunion und mit ihr den Sozialismus schließlich zu Fall bringen sollten: Die großen Produktionsmengen bei denen es an Qualitätssicherung fehlte, die Versorgungsmängel und die damit verbundenen Produktions-Schwankungen und die mit dem sozialistischen System verbundenen Repressionen, die daraus resultieren, dass das System nicht auf materiellen Anreizen bauen konnte.
Damit einher ging das, was Kornai die „weiche Budgetbeschränkung“ nannte. Ineffiziente Unternehmen werden subventioniert und bezuschusst – der im Kapitalismus wirksame Selektionsmechanismus der solche Unternehmen sonst vom Markt nimmt, wirkt hier nicht. 1980 fasste er all diese Gedanken in seinem Buch „The Economics of Shortage“ zusammen. Rund zehn Jahre später brachten ebenjene Mängel die Sowjetunion zu Fall.
Foto: „MoskauRoterPlatzSeptember1990“ von DoD photo, lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
Bild: Creative Commons
Lorenz von Stein (1815-1890)
Auch wenn Otto von Bismarck der Begründer des deutschen Sozialstaats ist, erfunden hat ihn Lorenz von Stein. Der dänische Jurist wuchs in einem Armenpflegeheim auf und studierte an der Kieler Universität. Er beschäftigte sich mit Armut – aus seiner Sicht eine unvermeidliche Begleiterscheinung der Industrialisierung. Die Industriegesellschaft sorgte demnach dafür, dass sich bestehende Besitzverhältnisse manifestierten – wer einmal arm war, bleibe arm. Von Stein war von der Instabilität industrieller Gesellschaften überzeugt. Unter dem Eindruck der französischen Revolution schrieb von Stein seine Ansichten in „Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs“ nieder.
Um Ereignissen wie der Französischen Revolution vorzubeugen, bräuchte es einer neutralen Instanz – einen König. Um die eigene Macht aufrecht zu erhalten, sollte dieser einen Sozialstaat etablieren, der es allen Bürgern ermöglichte, Besitz anzuhäufen und damit Freiheit. Gut 30 Jahre nachdem er sein Monumentalwerk „Die Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage“ veröffentlicht hatte, griff Otto von Bismarck seine Ideen auf und baute mit Unterstützung zweier Anhänger von Steins den deutschen Sozialstaat auf.
Foto : „Lorenz von Stein“, Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
Bild: Creative Commons
Kaspar Klock (1583-1655)
1583 in Soest geboren, brachte es Kaspar Klock zum Berater des Kaisers und erfolgreichen Juristen. Sein ideelles Lebenswerk sollte aber eine gerechte Form der Besteuerung sein. Mit Umschreibungen näherte er sich dem, was wir heute als progressive Besteuerung und Leistungsgerechtigkeit kennen – Begriffe gab es dafür damals keine. Auch vor indirekten Steuern warnte er, weil sie die Armen belasteten und ihre Existenz gefährdeten. Außerdem sprach er sich dafür aus, die Einnahmen des Staats für das Gemeinwohl zu investieren.
Sein Ziel war es, die Steuersysteme aller Länder dieser Welt zu untersuchen und zu systematisieren – von Kaiserreich Rom unter Augustus, über Moskau, die Türkei und Afrika, bis hin zum damals protektionistischen England. So schaffte er es, den Zusammenhang verschiedener Kulturen und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Denken zu beschreiben.
Bild: AP
Mancur Olson (1932-1998)
Mancur Olson erlebte als Ökonom in den Siebzigerjahren, wie in den Industrieländern das Wirtschaftswachstum erlahmte und Inflation sich breit machte. In seinem Buch „The Rise and Decline of Nations“ erklärte er 1982, was aus seiner Sicht die Ursachen für diese Phänomene waren. Eine Interessenvertretung für die gesamte Gesellschaft zu finden, sei nahezu unmöglich. Einzelne Gruppen, die sich für ein bestimmtes Ziel zusammenschlössen – etwa Subventionen für einen Wirtschaftszweig oder protektionistische Gesetze – hätten es dagegen viel leichter. Deswegen seien Gewerkschaften oder Lobbyisten gegenüber der Gesellschaft im Vorteil.
Je länger in Staaten Friedenszeiten herrschten, desto besser vernetzten sich Berufsverbände, Lobbygruppen und Co. Dadurch nehme der Wettbewerb ab und die Gesellschaft werde mehr und mehr unproduktiv. Mit dieser Theorie erklärte Olson etwa das Wachstum in Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Siegermächte hätten die alten Netzwerke zerschlagen und die Märkte geöffnet. Im Großbritannien der Siebzigerjahre sähe man dagegen, wie gut organisierte Interessengruppen den Wettbewerb und einen Strukturwandel verhinderten.
Foto: "Mancur Olson", Licensed under Fair use via Wikipedia.
Bild: Creative Commons
Thorstein Veblen (1857-1929)
Als Sohn norwegischer Einwanderer wuchs Veblen in den USA in ärmlichen Verhältnissen auf – seine Eltern sprachen nicht einmal Englisch, das lernte er erst in der Schule. Er promovierte in Yale und musste sich trotzdem lange Zeit mit der Arbeitslosigkeit abfinden. Das kann die misanthrope Gesellschaftssicht erklären, die er in seiner „Theory of the Leisure Class“ ausbreitet. Aus seiner Sicht waren die wichtigen ökonomischen Bedürfnisse wie etwa die soziale Absicherung oder ein mäßiger Wohlstand für die meisten Amerikaner unwichtig geworden. An ihre Stelle traten unwichtige Produkte, die nur dem Prestige dienten. Schuld daran sei die faule, reiche Klasse, die dieses Verhalten vorlebe.
Veblen verweigerte sich dem Bild des Homo Oeconomicus und sah die Menschen als eitel und von sozialen Erwartungen getrieben an. So bestimmte aus seiner Sicht nicht das ökonomische Kalkül den Konsum, sondern das soziale Umfeld. Für Prestigegüter gaben Menschen weitaus mehr aus, als diese eigentlich wert waren. Profitiert davon haben nach Veblen einige wenige Kapitalisten, die die Arbeit der Masse ausnutzten und so die Gesellschaft an ihrer Weiterentwicklung hinderte.
Foto: „Veblen3a“, gemeinfrei über Wikimedia Commons.
Bild: Creative Commons
"Die Weltverbesserer – Große Denker der Wirtschaft, die unser Leben verändern"
Die Beispiele sind allesamt Lisa Nienhaus' Buch „Die Weltverbesserer“ entnommen und zusammengefasst worden. Von Clemens Fuest, dem Präsidenten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung über Peter Bofinger, einer der fünf Wirtschaftsweisen bis Sahra Wagenknecht, der stellvertretenden Vorsitzenden der Linken haben verschiedene Politiker und Wirtschaftswissenschaftler die einfallsreichsten Ökonomen, Schriftsteller, Politiker und Philosophen aus aller Welt zusammengetragen und ihr Werk und ihre Biographie vorgestellt.
„Die Weltverbesserer“ beinhaltet 66 Porträts. Das Buch umfasst 256 Seiten und ist seit dem 16. März für 17,90 Euro beim Hanser Verlag erhältlich.
Bild: Presse
- Teilen per:
- Teilen per: