Der neue US-Präsident hat die deutschen Autobauer mit der Bemerkung schockiert, dass die Importe der USA mit einer Steuer von 35 Prozent belastet werden sollen. Bei genauerem Hinsehen ist der Vorschlag aber weniger abenteuerlich, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn vermutlich sind die 35 Prozent nicht als Importzoll zu verstehen, wie viele meinen – sondern als Teil eines neuen, an die Mehrwertsteuer erinnernden Steuersystems. Die USA haben nämlich die Möglichkeiten für Zölle, die ihnen das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) gewährt, bereits weitgehend ausgeschöpft. Den derzeit im Durchschnitt vorliegenden Importzoll von etwa 2,5 Prozent können sie kaum noch erhöhen. Und aus dem GATT und der Welthandelsorganisation WTO auszusteigen wäre selbst für einen wagnisbereiten Wirtschaftsboss wie Donald Trump ein riskantes Unterfangen.
Was hinter der Ankündigung stehen könnte, ist vielmehr ein Mechanismus des Grenzausgleichs einer neuen (realwirtschaftlichen) Cashflow-Steuer. Eine solche Steuer hat Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, 2016 (nicht ohne Abstimmung mit Trump) als Ersatz für die Körperschaftsteuer vorgeschlagen.
Der realwirtschaftliche Cashflow eines Unternehmens ist definiert als inländische Verkaufserlöse abzüglich der Ausgaben für inländische Vorleistungen, Löhne und Investitionen. Gegenüber dem heutigen Steuersystem der USA bedeutet die Besteuerung des Cashflows vor allem, dass eine Sofortabschreibung von Investitionen eingeführt wird, während Schuldzinsen nicht mehr absetzbar sind. Der Grenzausgleich bedeutet aber auch, dass Exporterlöse steuerfrei bleiben, während Erlöse aus dem Weiterverkauf von Importware an Konsumenten der Besteuerung unterliegen, ohne dass die Importe steuerlich absetzbar sind. Die ausländische Wertschöpfung wird also mit der inländischen Steuer nachbelastet – und die inländische Wertschöpfung, die in den Exportgütern steckt, bleibt steuerfrei.
Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen
Die Deutschen mögen Donald Trump nicht. Nur wenige Prozent hätten für den Republikaner gestimmt, ergaben Umfragen vor der US-Wahl. Doch ist ihnen womöglich nur der Mensch zuwider, nicht sein Programm? Und fürchtet die überwiegende Mehrheit, dass Trump ein gefährlicher Präsident wird? Eine aktuelle Ipsos-Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche liefert dazu erstaunliche Erkenntnisse.
Auf die Frage, welche Trump-Vorhaben die Deutschen auch hierzulande gerne umgesetzt sähen, antworteten satte 56,3 Prozent, sie wollten die Abschiebung aller illegalen Ausländer.
34 Prozent der Befragten stimmen Trumps Forderung nach mehr Durchgriffsrechten für die Polizei zu.
Immerhin 30,6 Prozent wünschen sich weniger Einkommensteuer.
26,2 Prozent wünschen sich gar eine strikte Einreiseregulierung für Muslime.
Die Ablehnung der Deutschen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP zeigt sich auch in dieser Umfrage. 19 Prozent sähen auch hierzulande gerne ein Ende/Neuverhandlung der Freihandelsabkommen.
15 Prozent der Befragten sind für den Aufbau engerer Beziehungen zu Putins Russland.
Die Erbschaftsteuer sähen 13 Prozent der Befragten auch in Deutschland gerne abgeschafft.
Immerhin 4 Prozent wünschen sich eine Einführung von (Schutz-)Zöllen für Importe.
Mehrfach drohte der designierte US-Präsident mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Nur 2 Prozent der Befragten sind für einen Austritt beziehungsweise Rückzug aus dem Klimavertag.
17 Prozent der Befragten ist nicht nur die Person Donald Trump zuwider. Auch das Programm des Republikaners stößt auf Ablehnung.
Gemessen an der Ablehnung seiner Person, sehen die Bundesbürger Trumps Rolle in der Welt noch vergleichsweise milde. 57,2 Prozent der Deutschen gehen davon aus, Trump werde vom Weißen Haus aus die Welt politisch destabilisieren.
55,9 Prozent erwarten negative Auswirkungen für Deutschland.
Zu den möglichen Folgen für die USA ist die Skepsis viel größer: Nur 12,2 Prozent sagen, Trump werde die internationale Position seines Landes nachhaltig verbessern.
Dieser Grenzausgleich ist zwingend erforderlich, wenn man in der Kombination aus der Lohnsteuer und der Cashflow-Steuer letztlich eine Steuer auf den inländischen Konsum statt auf das Einkommen der Volkswirtschaft erreichen möchte. Dies ist das erklärte Ziel der Befürworter einer Cashflow-Steuer. Kritiker mutmaßen zwar, dass in diesem Grenzausgleich eine Diskriminierung der Importe gegenüber der inländischen Produktion liegt. Das ist aber nicht wirklich der Fall, denn es gehört selbstverständlich zum Wesen der Cashflow-Steuer, dass die in- und ausländische Wertschöpfung nur einmal mit der inländischen Steuer belastet wird. Es stimmt zwar, dass ein deutsches Auto, das von einem amerikanischen Händler an einen Konsumenten verkauft wird, mit dem vollen Steuersatz belastet wird, möglicherweise den 35 Prozent, die Trump erwähnte. Doch gilt dieser Steuersatz genauso für ein US-Auto, das an ihn verkauft wird. Es ist auch nicht so, dass das deutsche Auto zweimal in den USA besteuert wird, beim Import und noch einmal beim Weiterverkauf des Händlers. Deshalb werden auch die Regeln des GATT nicht verletzt.
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
Quelle: dpa
Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Im Übrigen werden in- und ausländische Güter, die an Investoren verkauft werden, wegen der Sofortabschreibung grundsätzlich nicht besteuert. So gesehen braucht sich der deutsche Maschinenbau keine Sorgen zu machen. Im Gegenteil, seine Waren werden bei einer Cashflow-Steuer gegenüber dem Status quo sogar entlastet. Sicher: Man kann bei den Verkäufen an die Konsumenten eine Diskriminierung darin sehen, dass der deutsche Hersteller bereits in Deutschland eine Einkommensteuer auf seine Wertschöpfung gezahlt hat. Aber das ist ein deutsches und nicht ein amerikanisches Problem. Die Deutschen können ja genauso verfahren.
Um die angekündigte Steuerreform zu verstehen, lohnt ein Blick auf die europäische Mehrwertsteuer. Auch sie ist eine Konsumsteuer, die eine Sofortabschreibung der Investitionen erlaubt und unabhängig von der möglichen Besteuerung der Importware im Ausland den gleichen steuerlichen Grenzausgleich hat, wie ihn die USA erwägen. Wenn Europa, wofür viel spräche, nicht auch eine Cashflow-Steuer einführen möchte, könnte es seine Mehrwertsteuersätze erhöhen und im Gegenzug die Einkommensteuersätze senken. Das würde die Doppelbelastung europäischer Exporte nach Amerika reduzieren. Zusammen mit einer Dollar-Aufwertung, die die wahrscheinliche Folge der US-Reform ist, bliebe dann kein Nachteil für europäische Exporteure mehr übrig.