Enorme Belastungsprobe Schweizer Nationalbank gerät unter Druck

Seit 2011 steht die Schweizer Nationalbank bereit: Sobald der Euro unter die Schwelle von 1,20 Franken zu sinken droht, will sie unbegrenzt Euro zukaufen. Zudem muss sie bald womöglich Gold im großen Stil aufkaufen.

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Am Freitag wurde der Euro bei 1,2011 Franken gehandelt, damit stand der Franken auf dem höchsten Stand seit über zwei Jahren. Quelle: dpa

Zürich/Frankfurt Die Schweizer Schutzmauer gegen eine zu starke Franken-Aufwertung steht vor der größten Belastungsprobe seit zwei Jahren. Die Wirtschaftsflaute in der Euro-Zone und die Lockerung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) haben die Währung zum Euro bis fast an die Schwelle von 1,20 Franken gehoben, die die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit allen Mitteln verteidigen will.

Auch das Ende November anstehende Referendum, das die Währungshüter zu massiven Goldkäufen zwingen würde, bringt die Euro-Untergrenze ins Wanken. Einige Analysten bezweifeln, dass die SNB im Falle einer Mehrheit für die Initiative ihre Euro-Stützungskäufe noch aufrechterhalten kann. Der Handlungsrahmen der Zentralbank würde jedenfalls massiv beeinträchtigt, warnt Martin Güth, Ökonom bei der LBBW.

Am Freitag wurde der Euro bei 1,2011 Franken gehandelt. Damit stand der Franken auf dem höchsten Stand seit 26 Monaten. Marktteilnehmer spekulieren, dass die Notenbank nun bald einschreiten könnte, um den Franken zu schwächen.

Die SNB steht seit 2011 bereit, unbegrenzt Euro aufzukaufen, sobald die Einheitswährung unter 1,20 Franken zu sinken droht. „Der Mindestkurs ist zurzeit zentral, um unseren Auftrag der Preisstabilität zu erfüllen“, sagte Nationalbankpräsident Thomas Jordan der aktuellen Ausgabe der Schweizer Sonntagszeitung.

Die Schweizer Währungshüter hatten den Mindestkurs im Zuge der Schuldenkrise eingeführt, um die heimische Exportwirtschaft zu entlasten. Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone hatte damals zu massiven Zuflüssen in den gern als sicheren Hafen angesteuerten Franken geführt.

Die Notenbank reagierte mit dem Kauf von Devisen in zuvor unerreichtem Ausmaß. Im Zuge der Interventionen kletterten die Devisenreserven um mehrere hundert Milliarden auf rund 460 Milliarden Franken. Dies entspricht rund 70 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung in einem Jahr.

Wird die SNB erneut zu Interventionen gezwungen, dürfte Ökonomen zufolge diesmal aber ein weniger großer Einsatz erforderlich sein. Die geringeren Kapitalflüsse, das begrenzte Inflationsrisiko und der Erfolgsausweis bei der letzten Intervention bringen die Notenbank in eine bessere Ausgangslage.

Der Markt gehe davon aus, dass die Interventionen den Spekulanten das Genick brechen könnten, erklärt der Ökonom und frühere Schweizer Parlamentsabgeordnete Rudolf Strahm. „Marktteilnehmer haben einmal versucht, den Franken zu attackieren. Sie haben sich aber eine blutige Nase geholt und hohe Beträge verloren. Seitdem hat das niemand mehr gewagt.“


Negativ-Zinsen als letzter Ausweg

Die Politik der SNB genießt die Unterstützung der Schweizer Exportindustrie und ein stillschweigendes Einverständnis anderer Notenbanken. Die Risiken solch enormer Devisenkäufe sind Volkswirten zufolge begrenzt, denn mögliche Verluste auf den Positionen sind reine Buchverluste.

Er sehe für die kommenden ein oder zwei Jahre keinen Inflationsdruck, so dass es keine wirkliche Grenze für die Ausweitung der Bilanz gebe, erklärte Credit-Suisse-Analyst Maxime Botteron. „Aus unserer Sicht bietet die Wechselkurs-Untergrenze mehr Vorteile als Kosten.“

Dies könnte sich ändern, wenn sich die Schweizer am 30. November dafür aussprechen, dass die SNB künftig mindestens 20 Prozent ihrer Reserven in Gold halten muss. Goldverkäufe wären ihr nicht mehr erlaubt. Aktuell liegt die Quote des Edelmetalls bei sieben Prozent, etwa 41 Prozent ihrer Devisenreserven hat die SNB in Euro angelegt.

Sagen die Schweizer „Ja“, müsste die SNB neben Euro demnächst auch noch Gold im großem Stil kaufen, wenn sie den Mindestkurs aufrechterhalten will, prognostiziert Eugen Keller, Analyst bei der Metzler Bank. Die Spitze der Schweizer Notenbank, die sich normalerweise aus der Politik und Abstimmungskämpfen heraushält, versucht, in einem Interview-Marathon den Schweizern ein „Ja“ zu der Initiative auszureden.

Das gilt vor allem seitdem klar ist, dass die Sache knapp ausgehen könnte. Die letzte Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts GfS Bern signalisierte Ende Oktober einen Anteil der Ja-Stimmen von 44 Prozent. Sollte die Gold-Initiative angenommen werden, könnten die Währungshüter zu einem anderen Instrument greifen – Negativzinsen auf die Einlagen der Geschäftsbanken.

Das wäre aber möglicherweise mit hohen Kosten für den bedeutenden Finanzsektor des Landes verbunden. Zudem könnten Negativ-Zinsen der Immobilien-Boom weiter anheizen. „Das wäre der letzte Ausweg“, erklärte Credit-Suisse-Analyst Botteron.

Im Interview mit der Schweizer Sonntagszeitung schloss Nationalbankpräsident Jordan aus, dass die SNB bei einem „Ja“ Vermögensteile etwa in einen Staatsfonds auslagern könnte – ein Schritt über den einige Devisenhändler spekuliert hatten. „Das ist völlig undenkbar. Die Nationalbank kann nicht irgendwelche Tricks anwenden um den Volkswillen zu umgehen.“

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