Erdöl Ölpreis von 100 Dollar in Sicht

Der Ölpreis steigt, doch die Macht der Opec sinkt – auch weil sich die Kartellmitglieder immer weniger an ihre geheimen Förderquoten halten.

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Opec

Analysten hatten es vorausgesagt: Die mit viel Pomp angekündigte Jahrestagung der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito war allenfalls eine große Fiesta. Die Abgesandten der Opec-Staaten ließen in der vergangenen Woche die Förderquoten unverändert, und auch sonst kam bei dem Treffen wenig Substanzielles heraus. Auch beim nächsten Meeting im Juni dürfte das Kartell keine einschneidenden Änderungen seiner Förderpolitik beschließen.

Und selbst wenn: who cares? Obwohl die Opec für rund 40 Prozent der weltweiten Erdölproduktion steht und über 70 Prozent der globalen Erdölreserven verfügt, ist ihr Einfluss auf den Ölpreis im Verlauf der vergangenen Jahre stetig gesunken. Während der internationalen Wirtschaftsflaute 2008 konnte das Kartell nichts gegen den Preisverfall ausrichten: Der Preis je Barrel (159 Liter) brach in einem halben Jahr von mehr als 140 auf 40 Dollar ein. Seitdem geht es zwar wieder kontinuierlich aufwärts, allein in den vergangenen drei Monaten hat sich das Fass Rohöl um rund 30 Prozent verteuert. Doch die Energieminister der Opec können sich dabei aufs Zuschauen beschränken: Auslöser für den Preisanstieg sind vor allem gute Konjunkturdaten und die massive Nachfrage aus China. Etwa ein Drittel des für 2010 erwarteten Anstiegs der weltweiten Ölnachfrage um mehr als zwei Millionen Barrel pro Tag wird nach Berechnungen der International Energy Agency auf das boomende China entfallen. Ob die Europäer aus Klimaschutzgründen ein bisschen Energie sparen oder in den USA der stotternden Konjunktur wegen die Erdölspeicher der großen Raffinerien ein wenig voller sind als sonst um diese Jahreszeit – den Förderstaaten kann das vor dem Hintergrund des gewaltigen chinesischen Öldurstes fast egal sein.

Es war naiv, anzunehmen, die Opec-Länder würden angesichts der Preissprünge der vergangenen Wochen eine Drosselung ihrer Produktion beschließen, um so die Weltwirtschaft zu stabilisieren. Venezuelas Energieminister Rafael Ramírez hatte die neue Strategie schon vor dem Treffen in Quito vorgegeben: Ein „ehrlicher Preis“ für den begehrten Rohstoff sei auch ohne so einen Schritt erreichbar. Darunter versteht der Venezolaner runde 100 Dollar für das Barrel.

Sinkende Förderquoten wären ohnehin kaum durchzusetzen. Die Länder des Kartells wissen aus Erfahrung, dass kaum ein Mitglied die eigene Vorgabe einhält. Nicht von ungefähr hält das Hauptquartier der Opec in Wien die Förderquoten der einzelnen Länder seit 2008 geheim. 2007 wurde die jedem einzelnen Mitgliedsland zugebilligte Produktionsmenge letztmals veröffentlicht. Ende 2008 dann verabschiedeten die Minister in der algerischen Hafenstadt Oran eine neue Verteilung – die sie nie publik machten. Die Gesamtmenge sollte fortan knapp 25 Millionen Barrel betragen, was einer deutlichen Drosselung gleichgekommen wäre, da mit Angola und Ecuador zwei Mitgliedsländer neu im Club waren und ihre Anteile bekamen.

Reine Theorie. Kein einziges der Opec-Mitglieder hat sich an die Beschlüsse von Oran gehalten. Algerien beutet seine Bestände mit einem Tempo aus, als gäbe es in zwei Jahrzehnten keine Ölnachfrage mehr. Auch die großen arabischen Produzenten am Golf einschließlich der Opec-Führungsmacht Saudi-Arabien überziehen ihre Förderquoten deutlich (siehe Grafik).

Und die wenigen Opec-Mitglieder, die unter den Kartellvorgaben geblieben sind, konnten gar nicht anders. Nigeria etwa überlässt im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern die Ölproduktion internationalen Konzernen. Und die haben im Rezessionsjahr 2009 im krisengeschüttelten Nigeria die Produktion deutlich zurückgefahren. In Venezuela dagegen litt die Produktion darunter, dass Präsident Hugo Chávez die ausländischen Ölkonzerne aus dem Land ekelte.

Wen wundert es da, dass die Märkte auf offizielle Veränderungen der Förderquoten zunehmend gelassen reagieren?

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