Vor ein paar Wochen haben 250 Professoren der Ökonomie „mit großer Sorge“ zum Protest gegen die Euro-Politik der Bundesregierung aufgerufen. Das Manifest, das vor einer europäischen Bankenunion und vor Finanzhilfen an Geldinstitute in „südlichen Ländern“ warnt, ist eine Grabrede auf die Volkswirtschaftslehre. Es spielt mit nationalen Ressentiments und verrührt das Unbehagen am Großkapital mit dem Einmaleins der Ordnungspolitik. Seither wissen wir: Das Produkt aus rechts und links und liberal ist ziemlich schrill und radikal. Keine Rettung von Spekulanten auf Kosten der Steuerzahler! Keine Haftung für Bankschulden! Keine Sozialisierung von Marktrisiken zulasten von Sparern! Mit solchen Forderungen macht man mächtig Quote, aber keinen Eindruck. Im Gegenteil: Wenn es das Ziel der Ökonomen war, die wirtschaftswissenschaftliche Debatte auf das Niveau von Sahra Wagenknecht (Linke) zu heben, so ist ihnen das glänzend gelungen. Mit dem feinen Unterschied, dass Wagenknecht „der Wall Street“ und „der City of London“ schon vor zehn Jahren die Zähne gezeigt hat, als die meisten Ökonomen die Fahne der Finanzmarkt-Deregulierung gar nicht hoch genug hissen konnten. Und auch die Systemrelevanz von „maroden Bankhäusern“ hat die Marxistin schon 2008 bezweifelt, also lange bevor nun auch die Fachwelt ein paar Geldinstitute ausfindig gemacht hat, an denen sie ein ordoliberales Exempel statuieren will.
Ökonomen als Cheftautologen
Wenn es nicht so traurig wäre, man könnte darüber lachen. Aber leider ist der neue Pamphletismus der Ökonomenzunft kein lässlicher Schnitzer, sondern präziser Ausdruck ihrer umfassenden Orientierungsschwäche. Fünf Jahre nach Beginn der Finanzkrise – am 9. August 2007 stiegen die Zinsen für Interbankkredite sprunghaft an – kann von frischen Ideen in der Volkswirtschaftslehre nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Nach der Großen Depression 1929 kreuzten sozialwissenschaftlich beschlagene Gelehrte wie John Maynard Keynes, Joseph Schumpeter und Friedrich August von Hayek die Klingen, um die Effizienzhypothese der Märkte und den Einfluss der Wirtschaftspolitik infrage zu stellen. Sie klärten uns über die Gefahren von Monopolbildung und Kapitalkonzentration auf, über die Instabilität des Kapitalismus, die Vorzüge und Grenzen des Wettbewerbs – und sie stritten leidenschaftlich darüber, ob es besser sei, ökonomische Krisen von Staats wegen zu heilen oder aber stattfinden zu lassen, damit der infizierte Markt möglichst schnell wieder gesunde. Die Debatte hatte eine intellektuelle Tiefe, die immer noch beeindruckt. Und heute?
Literatur von und über Adam Smith
Das 1776 erschienene Werk ist der Klassiker der ökonomischen Literatur und die erste systematische Aufarbeitung und Bündelung ökonomischen Wissens. Dass Smiths Analyse über Wachstum, Preise, Arbeitsteilung und Staatstätigkeit auch mehr als 230 Jahre später noch ihre Leser findet, liegt nicht nur an ihrer dogmengeschichtlichen Relevanz: Das Buch ist anschaulich geschrieben und kommt noch völlig ohne mathematische Formeln aus.
(dtv, 12. Auflage 2009, 855 Seiten, 19,90 Euro)
Mit dem mehrfach überarbeiteten Werk setzt Smith einen Kontrapunkt zu seiner ökonomischen These, dass Eigennutz die Triebfeder des Wohlstands ist. Smith zeichnet in seiner Moralphilosophie ein positives Menschenbild, bei dem sich die Individuen auch von Mitgefühl und Sympathie leiten lassen.
(Meiner Felix Verlag, Neuauflage 2009, 648 Seiten, 28,90 Euro)
Das Buch beschreibt die zentralen Ideen einflussreicher Ökonomen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, darunter neben Smith auch Ricardo, Malthus, Marx und Menger. Anspruchsvoll aufbereitet, trocken geschrieben. Für Leser mit ökonomischen Vorkenntnissen.
(Band 1, Beck, 2008, 359 Seiten, 14,95 Euro)
Heute genügen sich die Ökonomen darin, den Regierenden ihre Kassandradienste zu erweisen. Ein Manifest folgt aufs andere, das Alarm schlägt und zur Umkehr aufruft, ob pro Bankenrettung oder kontra, mit Euro oder ohne. Im besten Fall schwingen sich die Ökonomen dabei zu Notaren der Krise auf – zu Cheftautologen, die das tagespolitisch Ersichtliche, so oder so, professoral beglaubigen. Was aber haben die Ökonomen denen zu bieten, die nicht zu den eifrigen Lesern ihrer formelakrobatischen Fachaufsätze gehören, aber wenigstens ein wenig über den Tellerrand des ökonomischen Zeitgeschehens hinausschauen wollen?
Der Mensch - Ein Rationalitätsbündel
Noch immer zaudern die Wirtschaftswissenschaftler, von der klassischen Markt-Harmonie-Lehre abzurücken – obwohl Adam Smith (was das anbelangt) spätestens seit Schumpeter erledigt ist. Noch immer halten sie daran fest, Märkte naturgesetzlich erklären zu wollen, obwohl es sich mittlerweile herumgesprochen haben sollte, dass es einen politisch unbeeinflussten Markt nie gegeben hat und Menschen nun mal keine berechenbare Vernunftwesen sind. Gleichzeitig werden Robert Shiller, George Akerlof oder Daniel Kahneman für genau diese „Erkenntnis“ als Innovatoren der Zunft gefeiert und für die „Entdeckung“ der Unvernunft mit Nobelpreisen geehrt. Warum eigentlich? Weil sie die Menschen nicht mehr zu Rationalitätsbündeln degradieren, sondern zu Reizreaktionsmaschinen?