EZB-Insiderbericht Pfandbriefaufkäufe reichen nicht aus

Maßnahmen gegen Konjunkturschwäche: Insidern zufolge wächst intern der Druck. Eine Option scheint der Ankauf von Staatsanleihen zu sein. Einem Insider zufolge scheint es im Europäischen Rat dafür eine Mehrheit zu geben.

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Die Euro-Skulptur in Frankfurt: Die EZB muss mehr für die Erholung der Konjunktur tun, fordern Insider. Quelle: dpa

Frankfurt Die bislang beschlossenen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Konjunkturschwäche dürften nach Ansicht von Notenbank-Insidern nicht ausreichen. Intern wachse deshalb der Druck, eventuell schon Anfang kommenden Jahres mehr zu tun, sagten zwei mit den Debatten in der EZB vertraute Personen am Montag zu Reuters. Eine dabei intensiv diskutierte Option sei auch der in Deutschland extrem kritisch bewertete Aufkauf von Staatsanleihen von Euro-Mitgliedsländern. Ein EZB-Sprecher wollte sich zu den Überlegungen konkret nicht äußern.

„Einige Leute wissen, dass der aktuell laufende Plan nicht ausreicht. Er ist einfach zu klein, und das Problem ist viel, viel größer“, sagte eine der Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten. Die EZB hat vergangene Woche mit dem Aufkauf von Pfandbriefen begonnen, sie will noch im vierten Quartal anfangen, Kreditverbriefungen zu erwerben. EZB-Chef Mario Draghi hatte unlängst erklärt, sein Ziel sei es, die Bilanz der Notenbank wieder auf das Volumen von Anfang bis Mitte 2012 aufzublähen - das wären etwa eine Billion Euro mehr als zurzeit.

Nur mit dem Aufkauf von Pfandbriefen und Kreditverbriefungen - so genannten ABS-Papieren - dürfte dies kaum machbar sein. Gerade der Markt für Kreditverbriefungen ist überschaubar, und die EZB hat sich selbst gebunden, nur Papiere höchster Qualität zu kaufen. Das Volumen dürfte nach Ansicht eines der Insider „weit unter“ 400 Milliarden Euro liegen. EZB-Vizepräsident Vitor Constancio hatte diese Summe unlängst als eine Art Obergrenze des Kaufprogramms genannt, damit alle Papiere die Anforderungen der EZB erfüllen. Der Sprecher der EZB bekräftigte, alle bis dato ergriffenen Maßnahmen der Notenbank müssten als Paket verstanden werden. Dadurch würde die Bilanzsumme beträchtlich erhöht.

Auch der Kauf von Unternehmensanleihen - über entsprechende Überlegungen hatte Reuters vergangene Woche exklusiv berichtet - würde wohl nicht ausreichen für den nötigen Stimulus für die Konjunktur, sagte einer der Insider. „Das ist ein eigentümlicher Markt. Es ist hier schwierig, das nötige Volumen zu erreichen.“ Anleiheexperten bezweifeln, dass auf den Finanzmärkten überhaupt genügend Papiere vorhanden sind, die die EZB kaufen könnte. Damit wäre ein solches Programm eher symbolisch.

Dann bliebe letztlich nur noch der Kauf von Staatsanleihen. Im Fachjargon Quantitative Easing (QE) genannt, ist dies das quasi letzte Mittel einer Zentralbank, um mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen und so die Konjunktur anzukurbeln. Doch um dies zu tun, müsste Draghi zunächst den Widerstand in Deutschland überwinden, namentlich den der Bundesbank und ihres Präsidenten Jens Weidmann. Allerdings scheint sich eine Mehrheit für eine solche Option im EZB-Rat abzuzeichnen.


„Deutschen wären nicht allein“

„Wahrscheinlich würde es eine Mehrheit für QE geben, aber sie wäre nicht besonders groß“, sagte einer der Notenbankinsider zu Reuters. „Die Deutschen wären nicht alleine. Es geht nicht nur um Weidmann.“ Eine wahrscheinliche Verbündete Weidmanns wäre wohl die deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger. Sie hatte erst am Wochenende erklärt, für sie komme der Aufkauf von Staatsanleihen höchstens als allerletzte Option im Kampf gegen eine gefährliche Deflation in Frage. Darunter verstehen Ökonomen einen Rückgang von Preisen, Investitionen, Löhnen und Konsum mit desaströsen Folgen für die Wirtschaft.

Vor Januar dürfte eine solch weitreichende Entscheidung aber nicht fallen. Die EZB wolle erst noch abwarten, wie ihre nächste Geldspritze für das Bankensystem Mitte Dezember und die Käufe von Pfandbriefen und ABS-Papieren wirkten. „Im Grundsatz heißt das: keine Entscheidung vor Januar, außer wenn Wachstum und Teuerung sich richtig schlecht entwickeln.“ Ihre nächsten Prognosen machen die Volkswirte der EZB und der nationalen Zentralbanken der Euro-Länder Anfang Dezember. Einen Monat später könnte die EZB dann den Finanzmärkten das Signal geben, dass sie bereit ist mehr zu tun.

Wie die EZB am Montag in Frankfurt mitteilte, wurden in der ersten Woche seit Beginn des Programms Käufe in einem Volumen von 1,704 Milliarden Euro abgewickelt. Die Notenbank hatte am Montag vor einer Woche mit den Käufen begonnen, um die lahmende Konjunktur in der Euro-Zone anzuschieben. Bis zum Jahreswechsel will die EZB auch am Markt für Kreditverbriefungen, sogenannten ABS-Papieren, aktiv werden. Hierfür wählt sie gerade Banken aus, die sie dabei zu Beginn der Käufe unterstützen sollen. Im Gespräch ist auch die Deutsche Bank.

Die Bundesbank und zahlreiche Unions-Politiker sehen die geplanten Wertpapierkäufe kritisch. Der CDU-Haushälter Norbert Barthle forderte die EZB am Montag auf, wie versprochen nur sichere und qualitativ hochwertige Papiere zu kaufen. Nach dem Stresstest der Banken dürften durchgefallene Institute nicht durch die Hintertür entlastet werden.

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