EZB-Präsident Mario Draghi in Berlin Eine falsche Entscheidung des Bundestags

Heute spricht EZB-Chef Mario Draghi vor einem Bundestagsausschuss. Die Parlamentarier wollen keine öffentliche Debatte und das ist ein Fehler. Kaum ein Thema bewegt so sehr wie die Niedrigzinsen. Ein Kommentar.

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EZB-Chef Mario Draghi: Hier bei seinem ersten Besuch im Bundestag 2012. Quelle: dapd

Mario Draghi besucht heute den Bundestag und stellt sich damit einigen seiner schärfsten Kritiker. Der Auftritt hat jedoch einen gravierenden Schönheitsfehler: Er findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Bundestagsausschuss hatte sich gegen eine öffentliche Debatte entschieden. Diese Entscheidung ist ein Fehler. Die massive öffentliche Kritik lässt sich nur durch Argumente und Offenheit begegnen.

Derzeit gibt es neben der Flüchtlingspolitik kein anderes Thema, dass die Menschen in Deutschland so bewegt wie die Niedrigzinsen. Nicht nur Bankvertreter klagen über die Geldpolitik von Notenbankchef Draghi, sondern viele Sparer. Sie fühlen sich benachteiligt oder gar enteignet. Gerade deshalb ist es wichtig, dass jeder die Argumente kennt und weiß, wer sie vertritt. Das kann nur in einer offenen Debatte geschehen - und nicht hinter verschlossenen Türen.

Natürlich würden auch bei einer öffentlichen Sitzung nicht zigtausende Zuschauer die Debatte verfolgen. Aber es gäbe zumindest Medien, die darüber berichten und sich direkt ein Bild verschaffen können, ohne auf die Aussagen Dritter angewiesen zu sein. Die Anhörungen von Draghi im Europaparlament beispielsweise kann jeder per Livestream im Internet verfolgen.

Wenn nun der Unionspolitiker Hans Michelbach dem EZB-Chef vorwirft, er trage „wenig zur Erhellung bei, wenn er nur in nichtöffentlicher Sitzung auftritt“, verdreht er allerdings die Fakten. Nicht Draghi ist dafür verantwortlich, dass die Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, sondern der Bundestag selbst. Der EU-Ausschuss wollte lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit dem Notenbankchef diskutieren.

Das ist auch deshalb problematisch, weil der Europäischen Zentralbank oft – und zu Recht – von politischer Seite Geheimniskrämerei und Intransparenz vorgeworfen wird. Für Notenbanker ist Transparenz ein delikates Thema. Der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan brachte ihre Vorliebe zur Geheimniskrämerei einst mit dem Satz auf den Punkt: „Wenn Sie mich verstanden haben, habe ich mich nicht unverständlich genug ausgedrückt.“ Diese Haltung ändert sich zwar, aber nicht schnell genug.

Gerade die Volksvertreter im Bundestag sollten deshalb durch eine offene Debatte mit gutem Beispiel vorangehen. Diese Chance jedoch haben sie verpasst.

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