Aus Sicht der Arbeitnehmer kann die Digitalisierung vor allem diejenigen entlasten, die bislang stupide Tätigkeiten durchführen mussten, weil etliche Routinetätigkeiten nun durch Roboter erledigt werden. Dies könnte dazu beitragen, das kreative Potential der Beschäftigten besser zu nutzen und die Arbeitszufriedenheit zu steigern. Dies setzt allerdings voraus, dass die Betroffenen die dafür benötigte Qualifikation mitbringen beziehungsweise diese ihnen bescheinigt wird.
Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Arbeiten mit geringen qualifikatorischen Anforderungen zwar durch Roboter erledigt werden, aber die betroffenen Arbeitnehmer nicht in neue Tätigkeiten kommen. Die anspruchsvollen und kreativen Tätigkeiten werden dann gerade nicht von ihnen, sondern von Hochqualifizierten durchgeführt. Die soziale Schere könnten sich dann weiter öffnen.
Die Folgen von Industrie 4.0 für die Branchen in Deutschland bis 2025
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 13 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-5 %
Produktivitätssteigerungen: 7-11 %
Zahl der Arbeitsplätze: 95.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,9 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 22 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 6-9 %
Zahl der Arbeitsplätze: 50.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,2 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 10 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 2-3 %
Produktivitätssteigerungen: 5-10 %
Zahl der Arbeitsplätze: 15.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,8 %
Quelle: Boston Consulting Group
Anteil am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 55 %
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 1-2 %
Produktivitätssteigerungen: 4-7 %
Zahl der Arbeitsplätze: 230.000
Jährlicher Zuwachs an Arbeitsplätzen: + 0,6 %
Quelle: Boston Consulting Group
Umsatz des verarbeitenden Gewerbes (Bruttoproduktionswert): 2 Billiarden Euro
Zusätzliches Umsatzwachstum pro Jahr: 20-40 Milliarden Euro
Produktivitätssteigerungen: 90-150 Milliarden Euro
Quelle: Boston Consulting Group
Dies wäre für die Gesellschaft in zweierlei Hinsicht Gift, denn erstens steigen die internen Konfliktpotentiale zwischen den gut ausgebildeten und flexiblen Menschen und denen, die weniger gut gebildet sind und deren Optionen nun geringer werden. Zweitens kann dieser Konflikt möglicherweise nur dadurch gelöst werden, dass er auf einen Dritten, nämlich das Ausland übertragen wird. Anstelle der Digitalisierung würde dann die Globalisierung oder sogar einzelnen Länder zum Schuldigen für die heimischen Probleme ernannt.
Dies ist bereits sichtbar, zum Beispiel in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, wo soziale und ökonomische Probleme gegen besseres Wissen der Europäischen Union beziehungsweise Mexico und China angelastet werden, und könnte sich in protektionistischen Maßnahmen ausdrücken. Dies wäre eine weitere Bedrohung des internationalen Handels und damit auch des internationalen Friedens.
Beide Trends, das heißt die technologisch bedingte Rezentralisierung von Produktionsprozessen und die entlassungsbedingte Verschärfung von Handelsbarrieren, träfe vor allem, aber nicht nur, die weniger entwickelten Länder. Deren Unternehmen sind ohnehin nur unzureichend an der globalen Wertschöpfungskette beteiligt und bieten im Zweifel die Güter und Vorprodukte an, die in den Industrieländern im Verlauf des Strukturwandels bereits obsolet geworden sind, aber im Bewusstsein der Menschen immer eine hohe Bedeutung haben – wie Stahl in den USA.
Dann hätte die vierte industrielle Revolution eine dramatische Konsequenz. Sowohl global als auch national steigen die Einkommensdifferenzen und sänke die Bereitschaft, miteinander zu handeln. Gesellschaften, die bereits heute einige Tendenzen zur Spaltung aufweisen, würden möglicherweise noch stärker gespalten werden. Internationale stiege das Misstrauen.
Dazu muss es aber nicht kommen. Die Politik in den allen Ländern hat vielfältige Mittel, den Wohlstand trotz Industrie 4.0 zu bewahren oder ihn gar mithilfe von Industrie 4.0 zu steigern. Stichworte sind Anstrengungen in der Bildungspolitik, zielgenaue Sozialpolitik, Investitionen in die digitale Infrastruktur und eine klare Absage an den Protektionismus. Denn wenn auch die Konsequenzen der Digitalisierung unklar sind, die Konsequenzen eines sich verschärfenden Protektionismus sind es: Er löst keines der potentiellen Probleme und schafft etliche neue. Die Beiträge auf der Website des World Economic Forums zeigen, dass führende Akteure globaler Politik das durchaus begreifen. Sie müssen es nur durchsetzen.