Freytags-Frage

Findet Davos Antworten auf die Krisen der Welt?

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Globalisierung - Grundlage einer bürgerlichen Ordnung

Schottet sich Europa weiter ab (d.h. die Grenzen werden für Menschen und bleiben für Güter aus Entwicklungsländern geschlossen), kann es scheinbar gewinnen; nämlich dadurch, dass die Flüchtlingsströme unterbrochen und kurzfristig unrentable Arbeitsplätze gesichert werden. Es verliert aber langfristig, weil sich die Ströme nicht aufhalten lassen, wenn die Ursachen fortbestehen, und durch eine Unterbrechung der Arbeitsteilung.

Die Menschen in den Entwicklungsländern verlieren ebenfalls, wenn Wanderungen nicht mehr möglich sind und Kommunikation gestört wird. Das spielt den Kriegstreibern in Nahost und anderswo in die Hände. Die Not wird immer größer und damit auch der Wanderungsdruck. Es ist allerdings hoch wahrscheinlich, dass die meisten Menschen lieber in ihrer Heimat bleiben und dort nach Wohlstand streben wollen. Zahlreiche Studien zeigen, dass Terror und Wohlstand negativ miteinander in Beziehung stehen. Andere Studien belegen, dass die Integration von Menschen und Unternehmen in die Weltwirtschaft beziehungsweise die Teilnahme an der Globalisierung Wohlstand bringt und eine breiter werdende Mittelschicht entstehen lässt. Diese ist die Grundlage einer bürgerlichen Ordnung. Die Erfolge des Islamischen Staats werden erst abflauen, wenn es den Menschen besser geht und eine Mittelschicht auch in den Operationsgebieten der Terroristen ihre Anziehungskraft verringert.

Small is beautiful: Ein Trio an Zwergenstaaten macht das Rennen um die besten Talente der Welt. Warum es junge Menschen dorthin zieht – und wieso Deutschland im weltweiten Vergleich zurückfällt.
von Sven Prange

Diese ist die Grundlage einer bürgerlichen Ordnung. Die Erfolge des Islamischen Staats werden erst abflauen, wenn es den Menschen besser geht und eine Mittelschicht auch in den Operationsgebieten der Terroristen ihre Anziehungskraft verringert.

Das Signal muss deshalb ganz anders lauten. Es muss deutlich werden, dass die reichen Länder weder Terror akzeptieren noch die Freiheiten aufzugeben bereit sind, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa, den USA und anderen OECD-Ländern erstritten worden sind. Es muss auch deutlich werden, dass sie verstanden haben, dass der westliche Lebensstil und der Wohlstand nur aufrechterhalten werden können, wenn auch Menschen in anderen Ländern am Wohlstand partizipieren können.

In den vergangenen Jahren sind zudem multilaterale Initiativen, zum Beispiel im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) oder der Vereinten Nationen (UN) eher zurückgedrängt worden. Stattdessen gibt es bilaterale Integrationsbestrebungen im Bereich des Handels und zunehmend politische Alleingänge und Nationalismen. Für die Entwicklung der Weltwirtschaft und des Weltfriedens sind beide Tendenzen nicht von Vorteil (wobei vor allem Nationalismen negative zu Buche schlagen).

Deshalb ist ein Umdenken nötig, damit multilaterale Bemühungen wieder in den Vordergrund rücken. Wir brauchen einen Durchbruch in der Doha-Runde und einen weltweiten Flüchtlingsgipfel, der auch die finanzielle Hilfe für diejenigen Länder an den Grenzen der Krisengebiete in den Blick nimmt. Dieser könnte den interessanten Vorschlag des Bundesfinanzministers von gestern, einen Marshall-Plan für Nahost zu schaffen, diskutieren und umsetzen.

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