In verschiedenen Interviews hat Dennis Meadows, der führende Autor der vom Club of Rome veröffentlichten Studie “Limits to Growth“, auf deutsch: „Grenzen der Wachstums“, bei seinem jüngsten Besuch in Deutschland zum wiederholten Male auf die potentiell negativen Konsequenzen von Wirtschaftswachstum und steigendem Energieverbrauch hingewiesen. Für sich genommen ist es natürlich kein Problem, auf die potentiell negativen Wachstumswirkungen hinzuweisen. Die sind nicht wegzudiskutieren. Dies gilt aber auch, weil in vielen Ländern aus primär politischen Gründen verzerrend in die Preise eingegriffen wird und Energieversorgung immer noch vielfach zu billig stattfindet.
Ärgerliche Selbstgerechtigkeit
Was aber wirklich ärgerlich ist, ist die Selbstverständlichkeit und Selbstgerechtigkeit, mit der Dennis Meadows vor allem bei anderen einfordert, auf Wohlstand und Wachstum zu verzichten. Wörtlich sagt er in einem Interview mit der FAZ vom 4.12. 2012 folgendes: „…Wachstum ist der Krebs… Ich habe Solarpanels auf dem Dach und heize mein Haus mit selbstgehacktem Holz aus dem Wald, aber ich habe auch 10 Hektar Land. Glauben Sie nicht, dass man mit sieben Milliarden Menschen auf dem Planeten so die Probleme lösen kann… Wo sollte die Lösung liegen, wenn ich mir vorstelle, dass bald acht Milliarden Menschen mit Fahrzeugen durch die Welt fahren? …“ Daraus spricht vor allem eine Kritik am Wachstum der anderen. Er selbst macht schließlich alles richtig! Es scheint, dass die Wachstumskritik vor allem von den Wohlhabenden ausgesprochen wird; es ist schließlich auch beunruhigend, wenn nun plötzlich alle mobil sein wollen! Muss ja auch nicht sein, oder?
Heißt das nun, dass Wachstum unkritisch ist. Sicher nicht, denn Wachstum trägt zum Ressourcenverbrauch bei, Nullwachstum allerdings auch, nur der Verzicht schont Ressourcen. Nun kann man aber getrost davon ausgehen, dass Dennis Meadows oder eine Enquete-Kommission des Bundestages mit Wachstumskritik keinen großen Eindruck in China, Indien, Lateinamerika oder Afrika hinterlassen. Verzicht ist dort kein Thema. Die Menschen dort wollen der Armut entkommen und ähnlichen Wohlstand wie wir haben (auch wenn nicht jeder Mensch 10 Hektar Land haben will oder muss). Abgesehen von diesem Streben nach Wohlstand findet Wachstum von unten statt. Auf individueller Ebene streben Menschen nach Verbesserungen, die dann in höherem materiellem Wohlstand resultieren. Wachstum kann weder zentral verordnet noch von irgendwelchen Autoritäten verboten werden.
Vieles liegt im Argen
Eines muss zusätzlich bemerkt werden. Wirtschaftliches Wachstum geht mit Strukturwandel und Neuerungen hervor. Stagnierende Gesellschaften weisen wenig umweltschonenden technischen Fortschritt auf, wie die Geschichte des damaligen Ostblocks bis 1990 deutlich macht – dort war es wesentlich dreckiger als in den wachsenden Gesellschaften des Westens. Wichtig ist, sämtliche Güter, Ressourcen und Umweltgüter, d.h. auch Senken, zu den heute bekannten Vollkosten zu bepreisen (mit Umweltsteuern oder Zertifikaten), um die Wachstumsprozesse ökologisch verantwortlich zu gestalten. Hier liegt vieles im Argen, nicht nur in den aufstrebenden Volkswirtschaften, sondern auch in der OECD. Man führe sich nur das Theater um 8 Euro Flughafensteuer vor Augen (wie kommt Herr Meadows eigentlich nach Europa; er wird doch wohl nicht fliegen?).
Intellektuelle Fehler
Die Autoren von “Limits to Growth“ vernachlässigen aber genau diesen Strukturwandel und die Rolle relativer Preise im Prozess. Dieser geniale Trick marktlicher Beziehungen sorgt dafür, dass Güter (oder Ressourcen), die knapper werden, auch teurer werden. Dadurch wird im Regelfall die Nachfrage gesenkt, und Innovationsprozesse werden angestoßen, um das fragliche Gut oder die entsprechende Ressource zu ersetzen.
Auf der Sollseite steht somit ein schwerer intellektueller Fehler, den die Autoren um Dennis Meadows leicht hätten vermeiden können, wenn sie nur in ihrer Institution, dem MIT in Cambridge, MA, mit den dort forschenden Wachstumstheoretikern, allen voran Robert Solow, geredet hätten.
Zweifelsohne ist die Studie eine aufregende, lesenswerte und sehr einflussreiche Lektüre. Es ist ein Verdienst der Systemtheoretiker, das Problem in die Öffentlichkeit gerückt zu haben, und dies bereits recht früh. Allerdings hätte es die akademische Redlichkeit wie auch ein gesellschaftliches Verantwortungsgefühl wohl eingefordert, die Fehler zuzugeben und einzuarbeiten. Dann hätte diese wichtige Studie nicht dazu beigetragen, dass Millionen von Umweltfreunden zu Marktfeinden wurden. Auch manche politische Fehlsteuerung wäre wohl unterblieben. So bleibt ein fader Beigeschmack: Hier sonnt sich ein selbstgerechter Superstar im Bewusstsein, Recht zu haben. An Lösungen scheint ihm nicht zu liegen. Schade!