Die diesjährige Jahrestagung des World Economic Forums in Davos vom 17.-20. Januar befasst sich schwerpunktmäßig mit der 4. industriellen Revolution, auch als Digitalisierung oder Industrie 4.0 bezeichnet. Dies ist wichtig, denn es existieren nach wie vor nur recht vage Vorstellungen über ihr Wesen und ihre Erscheinungsformen sowie die möglichen Konsequenzen für die Menschen wie auch für die Politik.
Grundsätzlich bedeutet Industrie 4.0, dass digitale Steuerungselemente und eine sich permanent vertiefende Vernetzung innerhalb und zwischen Unternehmen sowohl bei der Leitung dieser Unternehmen als auch in deren Produktionsprozessen eine immer wichtigere Rolle spielen. Informationstechnologie und das Internet werden immer bedeutsamer für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Diese Digitalisierung und Vernetzung dienen der Effizienzsteigerung der Unternehmen, der Beschleunigung ihrer Abläufe und damit dem Ziel der Gewinnerzielung.
Die Entwicklung der Industrie
Industrieära: 1784
Technologische Revolution: Mechanische Produktion mit Wasser-/Dampfkraft
Transformatorischer Wandel: Substitution von Arbeit durch Kapital,; Prozessstabilität und Geschwindigkeit
Quelle: "Digital Industry – Connecting the Dots" von Oliver Wyman
Industrieära: 1870
Technologische Revolution: Elektrisch betriebene Massenproduktion
Transformatorischer Wandel: Arbeitsteilung ("Taylorismus"); Durchgängigkeit von Prozessen
Industrieära: 1969
Technologische Revolution: Produktionsautomatisierung durch Elektronik und IT
Transformatorischer Wandel: Business Process Reengineering; Prozessqualität und Lean
Industrieära: heute
Technologische Revolution: Digitalisierung durch cyber-physische Seyteme, Vernetzung und Big Data
Transformatorischer Wandel: "Digitale Industrie"; Die technologische Revolution schafft die Voraussetzung für die Hebung des wahren Werts durch Prozessverbesserung
Genauso wie bisher eine genaue Definition fehlt und sich der Prozess der digitalen Transformation selber beständig wandelt, sind die Konsequenzen für die Gesellschaft, insbesondere die Arbeitnehmer und die Unternehmen unklar. Deshalb sind auch die politische Einordnung und politische Antworten auf die Digitalisierung nicht eindeutig und kontrovers. Dieser Beitrag dient entsprechend nicht dazu, Politikempfehlungen abzuleiten, sondern eher der Identifikationen der Trends und ihrer möglichen Wirkungen.
Beginnen wir mit den Unternehmen. Sie können sich auf der Habenseite besser global vernetzen und schneller auf neue Herausforderungen reagieren; sie können besser an die Kunden heranrücken und deren Bedürfnisse erkennen. Sie können ihre Produktionsprozesse verschlanken und flexibler gestalten. Und sie können neue – teils digitale Produkte kreieren, die neue Märkte schaffen.
Auf der Sollseite sind Unternehmen auch schärferem Wettbewerb ausgesetzt. Ihre Einbindung in globale Wertschöpfungsketten oder gar -netzwerke wird fragiler und kann schneller in Frage gestellt werden. Sie sind als Handelspartner für andere Unternehmen noch stärker ersetzbar. Die Produktpalette kann noch schneller veralten, als es bereits seit langem der Fall ist. Darüber hinaus könnte es sogar sein, dass die Produktionsprozesse wieder zentralisiert werden, das heißt die Wertschöpfungsketten würden dann wieder kürzer werden. Man denke nur an den 3D-Drucker, der es ermöglicht, verschiedene bisher an unterschiedlichen Standorten hergestellte Bauteile eines Produkts zentral zu produzieren. Dann hätte die Digitalisierung und Vernetzung den paradoxen Effekt, dass sie in der letzten Konsequenz die Vernetzung reduzieren.